Der Hobbit – Eine unerwartete Reise (2012)

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The Hobbit: An Unexpected Journey, USA/NZ 2012 • 171 Min • Regie: Peter Jackson • Mit: Martin Freeman, Richard Armitage, Ian McKellen, Hugo Weaving, Cate Blanchett, Andy Serkis, James Nesbitt, Aidan Turner • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 13.12.2012 • Deutsche Website

Handlung

Etwa 60 Jahre vor den Ereignissen von Der Herr der Ringe herrschen für die meisten Mittelerde-Bewohner noch Ruhe und Frieden. So auch für den konservativen Hobbit Bilbo Beutlin (Martin Freeman), der in Hobbingen im Auenland ein gemächliches Leben ohne große Überraschungen führt. Eines Tages wird Bilbo jedoch vom Zauberer Gandalf (Ian McKellen) überrumpelt, indem dieser eine Gesellschaft von 13 Zwergen zu ihm nach Hause einlädt. Angeführt von Thorin Eichenschild (Richard Armitage) ist das Ziel dieses bunten Haufens, das einst glorreiche Zwergenreich Erebor im Einsamen Berg samt all seinen Schätzen wieder zu erobern. Dieses wurde vor langer Zeit an den Drachen Smaug verloren, der auch einen großen Teil der Zwergenbevölkerung vernichtete. Dabei schlägt Gandalf vor, Bilbo als Meisterdieb bei dieser Expedition einzusetzen. Die Zwerge und insbesondere Thorin stehen der Idee skeptisch gegenüber und sie wird wie vom abenteuerscheuen Bilbo zunächst strikt abgelehnt. Nachdem die Zwerge aber am nächsten Tag seine Wohnhöhle verlassen, überkommt Bilbo zu guter Letzt doch die Abenteuerlust. Er holt die Truppe ein und begibt sich auf ein Abenteuer, das nicht nur sein Leben, sondern letztlich auch das Schicksal von ganz Mittelerde verändern wird. Auf dem Weg nach Erebor müssen Bilbo und die Zwerge sich mit Trollen, Orks und den wolfsähnlichen Wargen herumschlagen, während ein viel größeres Unheil langsam über Mittelerde aufzieht.

Kritik

Unabhängig davon, wie man zu der Herr-der-Ringe-Filmtrilogie steht, kann man eins kaum abstreiten: Mit den drei Filmen, die zwischen 2001 und 2003 immer pünktlich zu Weihnachten in die Kinos kamen, schuf Peter Jackson das, woran George Lucas gescheitert ist – Star Wars für eine neue Generation. In ihrem Einfluss und der Beliebtheit zieht das epische Fantasy-Abenteuer mit den Sternenkriegen gleich. Ganze 17 Oscars nahmen die drei Filme mit nach Hause, darunter 11 für den letzten Teil, Die Rückkehr des Königs. Alleine in Deutschland wurde jeder Teil der Trilogie von jeweils mehr als 10 Mio Zuschauern im Kino gesehen. Keine andere Filmserie kann sich mit sich mit einem solchen Erfolg rühmen. Der größte Verdienst von Der Herr der Ringe liegt wohl darin, dass damit ernsthaftes, erwachsenes Fantasy sich in einem neuen Medium endgültig etabliert hat. Ohne diese Filme hätte wohl „Game of Thrones“ kaum auf diese Weise im Fernsehen das Licht der Welt erblickt. Jacksons Filme setzten neue Standards und beeinflussten immens die Erwartungshaltung der Zuschauer. Doch gerade dieser große Wurf geht neun Jahre nach dem Abschluss der Trilogie leider nach hinten los.

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Nach dem durchschlagenden Erfolg der Herr-der-Ringe-Trilogie war es natürlich bloß eine Frage der Zeit, bis auch die von J. R. R. Tolkien geschriebene Vorgeschichte, bei uns unter dem Titel „Der kleine Hobbit“ erschienen, auch ihren Weg auf die Leinwände finden würde. Nachdem Peter Jackson eine Zeitlang nicht nach Mittelerde zurückkehren wollte und die Regie lieber einem anderen Fantasy-Visionär, Guillermo del Toro, überlassen wollte, nahm er letztlich doch den Platz auf dem Regiestuhl ein. Doch dabei stand er mit Der Hobbit vor einem großen Problem. Der kleine Hobbit von Tolkien erschien 1937. Es war ein detailreiches, einfallsreiches und enorm unterhaltsames Buch (ich selbst gestehe, es mehrere Male verschlungen zu haben), doch es war auch letzten Endes ein Kinderbuch, welches viel Wert auf Albernheiten und eine leichtfüßige Erzählung legte. Der große Erfolg des Buches brachte Tolkien dazu, einen Nachfolger zu schreiben. „Der Herr der Ringe“ entstand zwischen 1937 und 1949, wobei große Teile während des Zweiten Weltkriegs geschrieben wurde. Der Krieg hat die Welt verändert und damit auch Tolkien. Was als eine Fortsetzung von Der kleine Hobbit anfing, wurde zu einem düsteren, erwachsenen Fantasy-Werk. Die Diskrepanz im Ton und der Atmosphäre ging soweit, dass Tolkien selbst in den Sechziger Jahren Der kleine Hobbit umschreiben wollte, um dem düsteren Tenor der Nachfolgebücher gerecht zu werden. Ein Vorhaben, das er letztlich aufgab, als er merkte, dass dabei wenig vom alten heiteren Hobbit übrig blieb. Mit dem gleichen Problem sah sich nun Peter Jackson konfrontiert. Fantasy-Liebhaber und die zahlreichen Fans der Herr der Ringe Streifen verbinden Begriffe wie „episch“ und „monumental“ mit den drei Filmen – Adjektive, die auf Der kleine Hobbit einfach nicht zutreffen. Also musste Jackson die Geschichte aufpolstern. „Alle guten Geschichten verdienen es, ausgeschmückt zu werden“, sagt Gandalf zu Bilbo in einer Filmszene. Angesichts der Tatsache, dass Jackson aus einem Buch, das weniger als 300 Seiten umfasst, eine Filmtrilogie herausquetscht, bei der der erste Film 170 Minuten dauert (Jackson hat bereits eine 20-25 Minuten längere Fassung angekündigt), kann dieser Satz im Film kein Zufall sein. Die Grundstruktur des Films geht komplett nach dem Herr-der-Ringe-Muster – ein Hobbit wird in ein Abenteuer hineingezogen und zieht mit einer Truppe von Kämpfern durch Mittelerde zu einem Berg, wo sich deren Schicksal entscheiden wird. Zugleich steht Jackson aber auch vor der Herausforderung, dem Tolkien-Erbe treu zu bleiben und die Heiterkeit und Leichtigkeit der Hobbit-Romans aufrecht zu erhalten.

Diesen Spagat versucht Jackson über die gesamte Laufzeit des Films zu schlagen und in großen Teilen gelingt es ihm auch. Auch wenn die Angelegenheit der Zwerge im Film sehr ernst genommen wird, so bietet der Film dennoch deutlich mehr albernen Humor als seine drei Mittelerde-Vorgänger. Pathetische Reden und große Schwermut, noch so präsent in Der Herr der Ringe, fehlen hier fast völlig. Dafür lässt sich der Film auch viel Zeit mit der Einführung seines Hauptcharakters, verkörpert durch den „Sherlock“-Darsteller Martin Freeman. Freeman schlüpft mit so großer Leichtigkeit in die Rolle, dass man ganz schnell vergisst, dass Ian Holm die Rolle vor ihm gespielt hat (er hat auch hier einen Kurzauftritt). Für all die Stärken, die Der Herr der Ringe vorweisen konnte, konnte ich über die drei Filme hinweg nie viel mit der Figur von Frodo mitfühlen oder mich für sie sonderlich interessieren. Das erreicht Freeman bereits im ersten Film. Sein Bilbo ist keine zutiefst unschuldige gequälte Person. Er ist einfach ein Durchschnittstyp, der aus der Banalität seines Lebens herausbricht und dabei auf Anhieb sympathisch ist. Er ist nicht ständig verängstigt, sondern legt auch eine gute Portion trockenen Humor, Sarkasmus und Mut zutage. Noch mehr als bei Frodo in Der Herr der Ringe war das Casting des Hauptcharakters in Der Hobbit von großer Bedeutung. Schließlich ist es Bilbos Geschichte und seine Geschichte alleine, die hier im Mittelpunkt stehen sollte. Mit Freeman landete Jackson einen großen Coup. Auch Ian McKellen zeigt in seiner Rolle als Gandalf, die er sich einst schon nach einigen Minuten von Die Gefährten zu Eigen gemacht hat, die gewohnte Mischung aus Weisheit, Entschlossenheit und Würde. Mit Richard Armitage als Thorin hat man in Der Hobbit einen Charakter, der sein Bestes tut, um die von Aragorn (Viggo Mortensen) zurückgelassene Lücke eines verwegenen, grüblerischen Kriegers zu füllen, was zwar teilweise gelingt, aber auch Thorin in großen Kontrast zu seinen Mitstreitern setzt. Diese bleiben trotz einfallsreicher Bärte und Frisuren letztlich austauschbar, denn man erfährt kaum etwas über die einzelnen Mitglieder von Thorins kleinwüchsiger Gemeinschaft. Der Film bleibt primär auf Bilbo, Gandalf und Thorin zentriert. Cate Blacnhett, Hugo Weaving, Ian Holm, Elijah Wood und Christopher Lee haben kurze Auftritte in dem Film, dienen aber vor allem dazu, die Zuschauer daran zu erinnern, dass es sich hierbei um eine Geschichte aus der Welt von Der Herr der Ringe handelt. Eine Ausnahme bildet dabei Andy Serkis‘ Gollum, dessen Rätselspiel mit Bilbo einen der Höhepunkte des Films darstellt.

Gerade beim Anknüpfen an Der Herr der Ringe schleichen sich die ersten Probleme ein. Dass Der kleine Hobbit alleine nicht genug Handlung für zwei, geschweige schon drei, lange Filme hat, war wohl allen Beteiligten schnell klar. Also musste hier noch auf anderes Material von Tolkien zurückgegriffen werden bzw. das vorhandene Material mit Details angereichert werden. So wird Saurons Rückkehr bereits hier angedeutet (in Gestalt eines Geisterbeschwörers), was unausweichlich zu einer Schlacht im zweiten oder dritten Film führen wird. Zu diesem Handlungsstrang gehört auch der Charakter Radagast der Braue, ein Zauberer, der die Gesellschaft der Tiere derer der Menschen bevorzugt, was uns zu einer videospielartigen Sequenz bringt, in der er in einem von Kaninchen (!) gezogenen Schlitten vor Wargen flieht. Der Charakter ist bestenfalls überflüssig, schlimmstenfalls schlicht nervig. Alle Bemühungen, dem Film eine epische Note zu verleihen und an Der Herr der Ringe anzuknüpfen (wozu auch ganze zwei Prolog-Sequenzen gehören) fühlen sich leider forciert an, als wäre Jackson vor allem darum bemüht, die Laufzeit des Films aufzublähen. Trotzdem fühlt sich die Länge von Der Hobbit – Eine unerwartete Reise natürlich an, obwohl einem auch zugleich klar ist, dass man auf diverse Abschnitte hätte verzichten können, ohne viel zu verlieren.

Dass der Film, trotz seiner aufgebauschten Länge, dennoch die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu fesseln vermag, liegt am visuellen Feuerwerk, das Peter Jacksons uns erneut serviert, aber auch an Howard Shores exzellenter Filmmusik, die mit dem Score von Der Herr der Ringe mithalten kann und an rasant inszenierten, wohldosierten Actionsequenzen. Dabei sticht vor allem die unterirdische Flucht der Zwerge vor dem Orkköng und seinen Schergen heraus. Dies ist natürlich der Punkt, an dem man den wohl interessantesten und innovativsten Aspekt von Der Hobbit ansprechen sollte. Unter der unscheinbaren Abkürzung HFR befindet sich etwas, was einige Filmemacher, darunter Jackson und James Cameron als die Zukunft des Filmemachens bezeichnen. Dabei handelt es sich um die höhere Bildfrequenz (high frame rate). Vom Projektor werden statt wie üblich 24, 48 Bilder pro Sekunde abgespielt. Das Ergebnis ist allerdings gemischter Natur. Es sieht anders aus. Das Bild ist kristallklar und scharf, die Bewegungen extrem fließend und das 3D fügt sich hier natürlicher denn je ein. Dennoch wird man bei vielen Szenen das Gefühl nicht los, eine Fernsehsoap (diese werden oft mit 60 Bildern pro Sekunde gedreht) oder ein Theaterstück zu sehen. Real ist hier manchmal eben zu real. Man sieht jedes Detail und damit erscheinen insbesondere in den Tagszenen einige Computereffekte deutlich schlechter und unnatürlicher als sonst. Smaugs Angriff auf Erebor sieht zeitweise wie eine Billigproduktion fürs Fernsehen aus. Der Drang nach mehr Realitätsnähe kostet ironischerweise diesem Fantasy-Film einen Teil seiner Magie. Gerade solche Fantasy-Filme schaut man sich an, um der Realität zu entfliehen, nicht um ihr näher zu sein. In den 3D-starken dunklere Actionszenen kann der Film von der neuen Technik dafür umso mehr profitieren. Die 3D-Effekte sind plastischer, die Action noch atemberaubender und man zuckt das eine oder andere Mal unwillkürlich zusammen, wenn ein Gegenstand in Richtung des Zuschauers fliegt. Dies ist in unseren 3D-abgestumpften Zeiten eine große Leistung. Zugleich wirkt man trotzdem nie das Gefühl los, etwas würde mit dem Bild nicht stimmen. Insgesamt gerät das 48fps-Experiment, so interessant und ambitioniert es auch sein mag, hier zum Nachteil des Films.

Davon abgesehen gibt es an der technischen Front wie gewohnt nichts zu bemängeln. Nachdem ich erst zwei Tage zuvor die Herr-der-Ringe-Trilogie wieder angeschaut habe, wird hier klar, wie weit die Technik seitdem fortgeschritten ist. Einige Effekte daraus sehen mittlerweile leicht veraltet aus. Die Darstellung der Gollum-Figur mit all ihren Nuancen führt das in Der Hobbit am besten vor Augen.  Von der Kamera über das Makeup bis hin zur enorm detailreichen Ausstattung führt Jackson hier den neusten Stand der Technik eindrucksvoll vor. Doch bei all dem technischen Zauber, einer ausordentlichen Besetzung und einem talentierten Regisseur fehlt hier das Gefühl der Magie und der Begeisterung, mit der sich Tolkiens Welt in Die Gefährten, Die zwei Türme und Die Rückkehr des Königs vorgestellt hat. Der kleine Hobbit ist eben eine Geschichte mit einem kleineren Rahmen und kein Versuch, dies zu verbergen oder zu überspielen kann das endgültig verändern. So fällt Jackson letztlich zum Opfer der Tatsache, dass Der Herr der Ringe vor Der Hobbit in die Kinos kam. Wer seine Erwartungen allerdings im Zaum hält, bekommt schön inszenierte, hochwertige Fantasy-Kost geboten, die es locker mit Narnia oder den meisten Harry Potter-Filmen aufnehmen kann, aber eben einen Tick unter seinem großen Vorbild bleibt.

Fazit

Der erste Teil der Hobbit-Trilogie bietet in großen Teilen erneut opulente Fantasy-Unterhaltung auf hohem Niveau, doch trotz des technischen Fortschritts in den letzten neun Jahren und allerhand Bemühungen, dem Film ein episches Flair zu verleihen, kann er die Magie von Der Herr der Ringe nicht gänzlich einfangen.

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