Das Leben gehört Uns (2011)

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La guerre est déclarée, F 2011 100 Min • Mit: Valérie Donzelli, Jérémie Elkaïm, César Desseix, Béatrice De Staël Regie: Valérie Donzelli FSK: Ab 6 Jahren Kinostart: 26.04.2012 Deutsche Website

Handlung

Zwei Blicke treffen sich in einer vollen Pariser Diskothek. Der junge Mann heißt Roméo (Jérémie Elkaïm), die Frau Juliette (Valérie Donzelli). Es ist eine schicksalhafte Begegnung, aus der sich eine große Liebesgeschichte entwickelt. Zunächst sind die beiden voller Energie, Elan und frohlocken gemeinsam Tag und Nacht. Einige Zeit später teilen sie ihr Glück mit einer dritten Person. Juliette bekommt ein Baby – den kleinen Adam. Sind die beiden anfangs voller Freude, so stellt sich langsam der Alltag ein und damit die Herausforderungen ein Kind großzuziehen. Als sich doch beide an ihre Elternrollen langsam gewöhnen, werden sie mit einer schockierenden Nachricht konfrontiert. Der kleine Adam hat einen Gehirntumor. Nach anfänglicher Fassungslosigkeit sind die jungen Eltern zuversichtlich die Krise gemeinsam durchzustehen und alles Nötige für Adam zu tun. Damit beginnt eine jahrelange Achterbahnfahrt der Gefühle, mit allen vorstellbaren Höhen und Tiefen. Diese schweißt das Paar einerseits enger zusammen, andererseits fordern die immensen Anstrengungen, die ständige Belastung und die permanente Angst ihren Tribut von der Beziehung.

Kritik

„Erwartet uns also ein schreckliches Schicksal?“ scherzt Roméo am Filmbeginn in Anspielung auf William Shakespeares berühmtestes Stück. Weniger subtil könnte diese Vorschau auf die kommenden Ereignisse kaum sein. Zugleich aber, wird hier direkt die Tatsache aufgegriffen, dass die Protagonisten solch auffälligen Namen haben. Donzelli, die diesen Film gemeinsam mit Elkaïm geschrieben hat und auch Regie geführt hat, verarbeitet hier eine extrem persönliche Geschichte – nämlich diese von sich und Elkaïm selbst. Durch die Namensänderung der Hauptcharaktere, welche dem einen oder anderen Zuschauer als übertrieben erscheinen mag, zeigt sie wie universell die Situation ist, die sich urplötzlich auf das sorglose Paar herabstürzt. Um dies noch mehr zu verdeutlichen, wird der Sohn der beiden mit dem archetypischen Namen Adam versehen (in Wahrheit heißt der Junge Gabriel). Diese Universalität und die Tatsache, dass dies jedem passieren könnte werden in dem Film noch mehrmals verdeutlicht.

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Das Leben gehört Uns, welcher auch Frankreichs Beitrag für den Auslandsoscar dieses Jahr war, legt dabei zwar einerseits durchaus Wert auf realistische Darstellung des Geschehens, verkommt jedoch nie zu einem zu schwermütigen und depressiven Drama. Ebenfalls wird es aber auch nicht als Komödie dargeboten im Gegensatz zum (ebenfalls sehr gelungenen) Hollywood Krebsfilm 50/50 mit Joseph Gordon Levitt, der nächsten Monat unsere Leinwände erreichen wird. Vielmehr versetzt Donzelli ihre zuweilen sehr nüchterne Darstellung der Krisen mit einigen heiteren Momenten, ohne jedoch die Komik jemals aufzuzwingen. Der Humor ist nunmal die beste Medizin gegen jeden Schmerz. So teilen sich Roméo und Juliette am Vorabend der Operation ihres Sohnes gegenseitig die Ängste über mögliche Folgeschäden mit. Was mich realistischen Befürchtungen anfängt wird schnell zu Überlegungen, ob Adam vielleicht danach schwarz, schwul, „ein rechtes Arschloch“ oder gar das alles. So wird diese an sich bedrückende Szene aufgelockert, ohne, dass es je aufgezwungen wirkt. Es bleibt immer realistisch, der meist ziemlich schwarze Humor ergibt sich aus Situationen der Angst und der Hoffnungslosigkeit.

Außerdem arbeitet Donzelli in dem Film mit diversen Stilbrüchen, was anfangs sehr fremd aufstößt, aber immer erfrischend wirkt. Dies beginnt schon beim Soundtrack des Films. Darauf ist von Ennio Morricone über Techno-Sounds bis hin zu saften, von den Darstellern gesungenen Melodien eine unglaubliche Variabilität an Musik zu finden. Bemerkenswert ist die Szene, in der Juliette, untermalt von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, Roméo und dem Rest der Familie zum ersten Mal die schwere Nachricht telefonisch mitteilt. Das bewusste Over-the-Top Schauspielern in der Szene bringt die Gefühlswelt, die in einem Menschen in solchen Momenten vorgeht, aber meist nicht ausgelebt wird, zum Vorschein. Dies kontrastiert perfekt mit einer kurz darauf folgenden Szene, in der Roméo und Juliette Liebesschwüre für einander singen. Die Musik spielt eine tragende Rolle in diesem Film, denn sie vermittelt die ungeheure Bandbreite der Gefühle von unseren Protagonisten. Diese rangieren im Verlaufe des Films auch von Glück und Gelassenheit über Angst, Wut und Frustration bis hin zur Hoffnung. Im Vordergrund steht aber immer die Liebe – Liebe zu ihrem gemeinsamen Kind, aber auch innige Liebe zueinander. Auch wenn die enorme finanzielle und emotionale Belastung langsam aber sicher an der Beziehung nagt, bleibt ihnen durch ihre gemeinsamen Erlebnisse lebenslang ein starker Band. Der französische Originaltitel beschreibt den Film noch viel passender – La guerre est déclarée (Übs. Der Krieg ist erklärt). Die beiden erklären der Krankheit und dem Schicksal den Krieg, der, wie auch jeder andere Krieg, natürlich Opfer fordert.

Doch nicht nur der unkonventionelle Humor und die kontrastierende Musik gehören zu den Stilbrüchen, die Donzelli hier anwendet. Gekonnt werden auch sehr ernsthafte Krankenhausszenen mit Momenten der Heiterkeit der beiden Hauptcharaktere abgewechselt. In einer der letzten Szenen des Films, die von einem Voiceover begleitet wird, sieht man die beiden vergnügt auf einem leuchtenden, bunten Karussell. Dieser Film ist eben ein Stück von dem Leben – insbesondere in den schweren Zeiten muss man etwas Ablenkung und Unbeschwertheit finden. Während ein konventioneller Film sich nur auf den Kampf um das Leben des Sohnes und um die Last auf den beiden konzentrieren würde, geht Das Leben gehört Uns andere Pfade und zeigt die Geschehnisse abseits der Zentralhandlung. Eine weitere Konvention brechend wird die Frage, ob der Sohn die Krankheit überlebt praktisch zu Filmbeginn geklärt. Der Film zieht seine Kraft nicht aus der Frage, ob Adam es schafft, sondern interessiert sich mehr für den Weg, den die beiden idealistischen und einst so unbeschwerten Eltern beschreiten müssen und bis zum Ende stoisch durchstehen, koste es, was es wollte.

Das Unterfangen funktioniert auch so gut, weil Elkaïm und vor allem Donzelli hier sehr überzeugende Darbietungen liefern. Die Tatsache, dass sie hier ihr eigenes Leben spielen, erklärt die Natürlichkeit, mit der sie in die Figuren schlüpfen. Außerdem verbeugt sich Donzelli hier in ihrer Arbeit mit Farben und dem Schnitt vor den Großen der französischen Nouvelle Vague, insbesondere vor Godard. Dabei etabliert sie dennoch ihren ganz eigenen Stil. Das einzige bedeutenswerte Manko hier ist die zu oft auftauchende Stimme aus dem Off, die einige Dinge erklärt oder zusammenfasst. Sicherlich als ein weiteres Stilmittel gedacht, mag es sich nicht recht mit den anderen einfügen und erscheint überflüssig.

Fazit

Das Leben gehört Uns ist ein kraftvoller Tribut an den Mut, den Willen und die Stärke, alles zu opfern, für das, was man liebt.

Trailer

https://youtu.be/HgKsipjsdAg

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