Compliance (2012)

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Compliance, USA 2012 • 90 Min • Regie & Drehbuch: Craig Zobel • Mit: Ann Dowd, Dreama Walker, Pat Healy, Bill Camp, Philip Ettinger • Kamera: Adam Stone • Musik: Heather McIntosh FSK: ab 12 Jahren • Verleih: Mad Dimension • DVD-Start: 26.04.2013 • Website

 

Craig Zobels „Compliance“ erzählt eine unglaubliche Geschichte. Und doch basiert diese auf einer wahren Begebenheit: Ein Anrufer gibt sich bei Sandra (Ann Dowd), der Managerin einer US-Fast Food-Filiale, als Polizist „Officer Daniels“ aus und fordert sie auf, ihre Mitarbeiterin Becky (Dreama Walker) einer gründlichen Durchsuchung zu unterziehen. Die Neunzehnjährige habe einen Kunden bestohlen und die Tat sei überwacht worden. Keine Marke, kein Gesicht, keine Beweise, keine Waffengewalt – nur eine Stimme mit einem authentischen Tonfall. Wer nun glaubt, die gestresste Frau würde einfach kopfschüttelnd den Hörer auflegen und ihre Arbeit fortsetzen, liegt mit seiner Vermutung völlig falsch. Sandra leistet den Anordnungen des vermeintlichen Gesetzeshüters widerstandslos Folge und auch ihre Angestellte lässt das telefonisch instruierte Prozedere nach anfänglicher Skepsis über sich ergehen. Wer schon immer einen Großteil seiner Mitmenschen als „dumm“ abgetan hat, wird nach Sichtung von „Compliance“ seine Theorie erneut bestätigt meinen. Es fällt schwer zu glauben, dass sich solch ein Ereignis tatsächlich so oder so ähnlich zugetragen hat. Erst recht im Hier und Jetzt. Aber es kommt noch unfassbarer: Unter der Bezeichnung Strip search prank call scam sind über siebzig solcher Fälle in dreißig US-Bundesstaaten bekannt geworden. Im Jahr 2004 konnte schließlich der Verdächtige David Stewart von der Polizei dingfest gemacht werden, wurde aber letztlich in allen Anklagepunkten freigesprochen.

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„Compliance“ ist ein ungewöhnlicher Film, der als bitterböse Komödie funktionieren würde – wäre der Hintergrund nicht so traurig und ernst. Wie leicht sich Menschen unter den passenden Konditionen manipulieren lassen, hält uns Regisseur Zobel unangenehm schnörkellos vor Augen. Wir haben eine engagierte Geschäftsleitung, deren Tagesplan bereits von einigen Schwierigkeiten überschattet wird, eine Hilfskraft, die nicht gerade zu ihren Lieblingen gehört, und eine angebliche Autorität, die die ohnehin gespannte Situation mit einem delikaten Zwischenfall füttert. Ist es wirklich so einfach? Lassen wir uns tatsächlich wie Roboter steuern, wenn nur das richtige Signal unser Hirn erreicht – wie von einer Fernbedienung? „Officer Daniels“ schafft es letztlich, dass neben Sandra noch weitere Personen zu seinen „Händen“ werden, in seinem grausamen Spiel mit dem demütigen Opfer. Aber Opfer sind in diesem Fall auch die Mittäter, die hier nicht handeln, weil sie Lust oder Freude an dem Szenario empfinden, sondern weil sie sich dem angeblichen Vertreter des Gesetzes verpflichtet fühlen. Noch einmal: Der Auslöser hier sind lediglich Worte, die aus einem Telefon kommen. Das kann man sich kaum vorstellen. Das möchte man sich auch einfach gar nicht vorstellen. Und doch sehen wir es direkt vor uns und reagieren mit Unverständnis und Scham. Craig Zobel schildert seinen schockierenden Einbruch in die Psyche anderer Individuen nüchtern und klebt mit der Kamera stets nah an den Charakteren. „Compliance“ trägt nie dick auf oder verfällt der Versuchung, die „Polizeihelfer“ direkt zu verurteilen. Wir sehen und hören, werden aber von dem Regisseur stilistisch nicht an die Hand genommen. Viele Details über die Beteiligten erfahren wir nicht, wohl aber genug, um sich ein Bild darüber zu machen, wieso die einzelnen Befehle auf diese übergreifen konnten – und warum sich zumindest zwei Personen nicht in das Szenario involvieren ließen. „Das hier ist falsch“, sagt schließlich jemand, bevor dann die Tortur der jungen Becky endlich ein Ende hat.

Um das Werk an sich heranzulassen, muss man wohl akzeptieren, dass wir alle Schwachstellen in uns tragen und Türen verbergen, durch die man diese erreichen kann. „Officer Daniels“ hat solche Schwachstellen gefunden und sich Zugang verschafft. Das ist grausam und nicht Gegenstand eines spaßigen Kinoabends. So einen bietet der faszinierende wie abstoßende „Compliance“ auch nicht – einige Zuschauer haben während des Screenings den Saal verlassen und auch bei anderen Filmfestivals ist ein ähnliches Fluchtphänomen beobachtet worden. Vielleicht konnten diese Zuschauer die Blödheit der Charaktere nicht fassen, doch darf man deren Handeln überhaupt so einfach als „Blödheit“ abtun? Selbstverständlich könnte mir so etwas nie im Leben passieren … oder etwa doch? In einem besonders strapazierten, verwirrten, verwundbaren Zustand? Siebzig Mal hat es sich bereits zugetragen, in dreißig US-Bundesstaaten. Den Beteiligten/Opfern bleibt die Verdrängung: So schlimm war das damals alles nicht. Und uns bleibt ihre Geschichte, die uns besser eine Warnung sein sollte. Wenn wir zu Beginn gelacht haben, haben wir möglicherweise nur über uns selbst gelacht.


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