Christopher Landon im Interview: "Wir sind wieder auf dem richtigen Weg"

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Christopher Landon gelang sein Durchbruch 2007 mit dem gewitzten Drehbuch zu Disturbia, der Teenie-Variante von Hitchcocks Klassiker Das Fenster zum Hof. Den Horrorfans ist der Drehbuchautor und Regisseur aber am bekanntesten dank seiner Arbeit an allen bisherigen Sequels der Paranormal-Activity-Reihe, die weltweit zu den erfolgreichsten Horror-Franchises aller Zeiten zählt. Der fünfte Teil der Reihe, der seit dem 2.01. in den deutschen Kinos läuft, ist aber kein gewöhnliches Sequel, sondern ein Ableger, angesiedelt in der US-amerikanischen Latinio-Community, der eine eigenen Geschichte erzählt, aber auch der Mythologie der Reihe treu bleibt. Bei Paranormal Activity – Die Gezeichneten – so heißt der neue Film – übernahm Landon, der maßgeblich zur Mythologie und den Mysterien der Reihe beigetragen hat, auch Regie. Insgesamt war es seine zweite Regiearbeit (nach Burning Palms). Auch wenn er Paranormal Activity 5 nicht schreiben wird, bleibt sein Einfluss auf die Reihe nachhaltig. Anlässlich des neuen Films, hatte Filmfutter die einzigartige Gelegenheit, Christopher Landon zu interviewen. Er erzählte uns, warum es sehr wichtig war, sich mit Die Gezeichneten von der bisherigen Formel abzugrenzen, warum der vierte Film seiner Meinung nach nicht sonderlich gut funktionierte und er gab sogar einen kleinen Hinweis auf den weiteren Verlauf der Paranormal-Reihe.

Achtung: Das Interview enthält einige SPOILER zum neusten Film

(Das Interview ist auch in englischer Sprache hier zu finden)

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Filmfutter: Zu allererst – Glückwunsch zum erfolgreichen Start des Films in Nordamerika (Anm. der Red: der Film spielte in den ersten drei Tagen mehr als $18 Mio ein bei einem Budget von $5 Mio). Ich persönlich fand den Film deutlich besser als seinen Vorgänger. Er war kohärenter und passte besser in die etablierte Mythologie der Reihe hinein. Wie kam es überhaupt zu dieser Idee, einen Ableger der Reihe zu machen, der sich auf die US-amerikanische Latino-Community konzentriert?

Christopher Landon: Als wir Paranormal (Activity) 3 beendet haben, hielten wir eine Testvorführung ab und befragten dazu danach verschiedenen Zielgruppen. In einer unserer Zielgruppen war eine junge Latina, etwa 15 Jahre alt, und sie hatte so viel Leidenschaft für diese Reihe und kannte sich so gut in deren Mythologie und Charakteren aus! Sie hatte all diese Ideen und Meinungen und konnte aber auch viel Bezug zu ihrem eigenen Leben finden und zu den Geschichten, die ihre Großmutter ihr erzählt hat. In jener Nacht hatten wir eine Eingebung.U ns wurde klar, dass es diese ganze demographische Gruppe gibt, die einen tief verwurzelten Glauben an das Übernatürliche hegt. Auch unsere Zahlen belegten das. Die Zuschauer aus der Latino-Community strömen immer in Massen zu solchen Filmen. Also fingen wir an, darüber zu reden, ein urbanes Setting für den neuen Film zu erforschen und eine andere Familie in den Fokus zu rücken. Ich habe viele Nachforschungen angestellt und viele Locations besucht. Im Film gibt es eine Szene, in der Irma, Jesses Großmutter, Jesse und Marisol zu einer botánica mitnimmt, einer Art spirituellen Apotheke. Dieser Ort war eigentlich die erste botánica, die ich während meiner Recherchen besucht habe. Sie ist echt. Sie ist nicht irgendwie neu ausgestattet worden, es ist auch kein Set. Genau so sieht sie im echten Leben aus. Der Mann in dieser Szene ist ein curandero, eine Art spiritueller Führer. Er war kein Schauspieler, sondern der eigentliche Ladenbesitzer. Er hat mir sehr viele Infos gegeben und mir viel über die brujeria erzählt, die mexikanische Hexenkunst, um die es in unserem Film geht. All das sammelte sich an und half mir, den Zugang zu dem Film zu finden. Letztendlich wollte ich keinen weiteren Geisterhaus-Film machen, wie wir es immer in Vergangenheit taten, sondern eine persönlichere Geschichte von Besessenheit erzählen. Das war die Genesis des Projekts.

FF: Die verschiedenen Locations ist nur einer von vielen Aspekten, die diesen Film von den vier Filmen vor ihm unterscheiden. Der Fokus liegt erstmals auf einem männlichen Protagonisten, es gibt einige humorvolle Momente und erstmals erscheint auch das Paramount-Logo zum Filmbeginn. Waren das allen bewusste Entscheidungen, damit der Film sich frischer anfühlt und um ihn von den anderen Paranormal-Activity-Flmen abzugrenzen oder ergab sich das alles natürlich?

CL: Nein, nein, es war schon sehr spezifisch und wohl überlegt. Als wir angefangen haben, über diesen Film zu reden, sagte ich zu den Produzenten, dass wir eine Sache sehr gut etabliert haben über die bisherigen Filme, und zwar, dass wenn man von diesem Ding markiert wird, wird man zum Ziel des Dämons, egal wo man hingeht. Das Wesen wird dir folgen. Wir haben das in jedem Film betont, also sagte ich diesmal: „Anstelle davon, es immer zu sagen, last uns es tun! Lasst uns es zeigen.“ Ich denke, dass die klaustrophobische  Natur der bisherigen Filme eine große Stärke war, doch ich merke auch, dass unsere Fans langsam dessen überdrüssig wurden, Sachen zu sehen, die sich immer ähnlich sind. Ich dachte mir, dass wenn wir endlich hinausgehen und den Leuten unterschiedliche Orte zeigen und wie dieses Wesen Jesse überall hinflogt und ein Teil von ihm ist, dass es sich frisch und anders anfühlen würde. Was das Studio-Logo betrifft, so war das eigentlich das Thema vieler Diskussionen. Wir haben davor immer unter dem „Vorwand“ gearbeitet, dass diese Filme real waren. Auf eine gewisse Art und Weise war das Logo also eine Art Ankündigung, ein Eingeständnis, dass es ein Film ist. Aber ich denke, wir haben uns das verdient. Diese Stellung haben wir uns verdient. Ich wollte den Zuschauern von der ersten Minute an klar machen, dass wir anders sein werden. Das war wirklich wichtig. Das Lustige an dem Paramount-Logo ist – und die meisten merken das bis zum Ende nicht – die kleinen Störimpulse beim Logo lassen das vorausahnen, was am Ende des Films passiert. Es hat alles viel Spaß gemacht und, wie ich gesagt habe, ich wollte wirklich ein Statement machen, dass wir anders sind als die bisherigen Paranormal-Streifen.

Christopher Landon Interview 1

FF: Denkst Du, dass dieser Trend mit Paranormal Activity 5 und seinen Sequels weitergehen wird, im Sinne von mehr Locations und dem Eingestehen, dass es sich nicht um reale Ereignisse handelt?

CL: Es ist schon lustig. Es ist diesmal anders, weil ich nicht weiß, in welche Richtung sich die Reihe bewegen wird. Paranormal Activity 5 wird gerade vorbereitet und ich glaube bald fangen die Dreharbeiten an. Ich bin  diesmal außen vor geblieben, weil ich damit beschäftigt war, an Die Gezeichneten zu arbeiten. Ich denke aber, dass obwohl wir das Paramount-.Logo am Anfang hatten, dass die Menschen im Kino den Film immer noch so miterleben, als ob er real wäre. Das macht an diesen Filmen so viel Spaß. Ob man demnächst das Haus häufiger verlassen wird… ich weiß es nicht. Sie könnten. Ich denke auf jeden Fall, dass aus dem erzählerischen Standpunkt die Mythologie von Die Gezeichneten uns ermöglicht, überall hinzugehen. Wir sagen in dem Film, dass es überall passiert, also könnten wir unsere Filme auch überall ansiedeln. Es war großartig, dass wie das Franchise auf diese Weise „öffnen“ konnten. Aber ich glaube auch, dass die Geschichte von Katie (Katie Featherstone) sehr stark ist und die Fans sie sehr lieben und wissen wollen, was mit ihr passiert ist – was einer der Gründe ist, warum das Ende von Die Gezeichneten so gut funktioniert. Wir gehen zur Quelle zurück.. Ich denke, dass die Reihe wieder zu Katies Geschichte zurückkehren wird.

FF: Wenn wir schon beim Thema der Mythologie sind – eine Frage, die natürlich viele Fans beschäftigt, ist, ob es ein klares Endspiel bzw. ein Ziel gibt für das Franchise und was vielleicht noch wichtiger ist, ob man schon den Weg bis dorthin geplant hat.

CL: Ich kann nicht zu viele Details geben, aber ich kann auf jeden Fall bestätigen, dass es ein klares Ziel gibt, zu dem wir gelangen wollen. Ich weiß nicht, wie viele Filme es dauern wird, bis wir dort ankommen, denn es ist eine sehr große und komplexe Idee. Ich kann aber sagen, dass es in Die Gezeichneten einen unglaublich wichtigen Satz gibt, der darauf hindeutet, wohin die Filmserie hinsteuert. Die Kinogänger müssen einfach wirklich gut aufpassen, wenn sie den Film sehen. (lacht)

FF: Eine interessante Sache bei Die Gezeichneten ist, dass der Film sich nahtlos in die bestehende Mythologie einfügt und dabei uns trotzdem eine andere Community, andere Charaktere und eine eigene Geschichte bietet. War es eine schwere Aufgabe, sich einerseits von den bisherigen Filmen abzugrenzen und gleichzeitig dem treu bleiben, was man bisher etabliert hat und am Ende, wie Du gesagt hast, zur Quelle zurückzukommen?

CL: Um ehrlich zu sein war das nicht sehr schwer, und zwar weil wir bislang eine sehr handfeste Mythologie etabliert haben, mit der wir gut arbeiten konnten. Ein Aspekt, den viele Zuschauer an unseren filmen mögen ist, dass wir uns auf interessante Art und Weise frei in Zeit und Raum bewegen können. Wir taten das im zweiten Film und gingen dann im dritten in der Zeit zurück… Ich glaube, wir haben diese Flexibilität erschaffen, die uns Bewegungsfreiheit ermöglicht. Als ich das Drehbuch geschrieben habe, fühlte es sich für mich natürlich an, Charaktere und erkennbare Elemente aus bisherigen Filmen einzubinden. Wir haben das in den anderen Filmen zuvor auch gemacht. Die Herausforderung war hier, eine neue Geschichte zu erzählen, dabei gute Gruselmomente und Szenen zu erfinden und währenddessen auch eine Umgebung und Charaktere zu erschaffen, die man mag und mit denen man sich leicht identifizieren kann. Man möchte, dass die Zuschauer wirklich in den Film eintauchen können. Das waren die eigentlichen Herausforderungen. Meine Arbeit ist es, die Zuschauer für den Film zu gewinnen, insbesondere nach dem vierten Film. Ich glaube, dass wir beim vierten Film etwas schwächelten und vom richtigen Pfand abgekommen sind. Deshalb fühlte ich diesmal eine noch größere Verantwortung, denn ich wollte die Leute für diese Filme wieder begeistern und ihr Vertrauen weder verdienen. Ich wollte ihnen sagen, dass es immer noch eine wertvolle Reihe ist und betonen, dass wir eine klare Mythologie haben und dass wir wieder au dem richtigen Weg sind.

Christopher Landon Interview 2

FF: Ich habe bemerkt, dass Du offen darüber sprichst, dass viele Dinge im vierten Film nicht funktioniert haben. Welche Aspekte haben, Deiner Meinung nach, nicht funktioniert? An welchem Punkt „entgleiste“ der Film?

CL: Der vierte Film war ein interessantes Erlebnis. Ich sollte eigentlich gar nicht das Drehbuch dazu schreiben. Ich war inmitten der Vorbereitungen zu Die Gezeichneten, als das Studio anrief. Sie hatten Probleme mit dem Film und brachten mich in letzter Minute an Bord. Die Dreharbeiten gingen gerade los. Für mich war es ein Kampf, zu versuchen, dass alle Elemente zusammenkommen. Und ich denke alle Macher an Bord jenes Films wurden mit der unweigerlichen „Franchise-Müdigkeit“ konfrontiert. Es war auch einschüchternd, den Nachfolger zu Paranormal Activity 3 zu machen, der ein massiver Erfolg war und sowohl von den Kritikern als auch von den Fans gemocht wurde. Bis heute nennen den dritten Film viele als ihren Favoriten.

FF: Für mich ist es definitiv der gruseligste.

CL: Ja, es war ein wirklich gruseliger Film. Beim vierten haben wir uns bemüht, uns Ideen einfallen zu lassen, wie man die Schreckensszenen und die Gimmicks, die wir im Vorgänger benutzt haben, noch toppen kann. Es hat sich viel Druck aufgebaut. Zugleich mussten wir natürlich einen Weg finden, um die Mythologie in die Geschichte einzuarbeiten. Am Ende war er verworren. Er war nicht klar. Der größte Fehltritt von Paranormal Activity 4 war es, dass der Film die Mythologie nicht vorangebracht hat. Anstelle dessen, ging der Film sogar einen Schritt zurück. Ich glaub, dass das viele Fans frustriert hat. Die Marketing-Kampagne versprach: “It all led to this” (Übersetzung: „Es hat alles hierher geführt“) und eigentlich führte der Film nirgends hin. (lacht)

FF: Der Film warf viele Fragen auf, bot jedoch kaum Antworten.  

CL: Ja, genau. Deshalb wollte ich mit Die Gezeichneten vor allem etwas Stabilität einbringen und uns wieder auf den richtigen Weg zurückführen, was die Mythologie betrifft. Das war mir sehr wichtig. Was die Atmosphäre betrifft, wollte ich, dass der Film wirklich gruselig wird, dass er aber auch Spaß macht. In unseren anderen Filmen ist der erste Akt normalerweise eher langsam und diesmal wollte ich direkt mit einem Knall starten und ein flottes Tempo vorlegen.

FF: Der Film hat auf jeden Fall mehr Humor als die anderen.  

CL: Davon bin ich ein großer Fan. Als ich Disturbia (2007) geschrieben habe, habe ich viel Humor in das Drehbuch eingearbeitet und das hat sich bezahlt gemacht. Ich denke, dass Humor Menschen entwaffnet und ihnen ermöglicht, mit den Charakteren mehr mitzufiebern. Die Charaktere wirken dadurch sympathischer und man identifiziert sich eher mit ihnen. Der erste Akt von Die Gezeichneten wirkt schon beinahe wie eine Komödie, doch dann wird es etwas düsterer und bis zum Ende wird es nur noch düsterer und böser. Die große Wende kommt im Film – und ich will nicht zu viel hier verraten – wenn Jesse mit dem Mädchen in Anas Wohnung anbändelt. In diesem Moment wird aus Die Gezeichneten ein Horrorfilm. Es hat viel Spaß gemacht, die übliche Formel etwas aufzurütteln.

FF: Deine nächste Regiearbeit hat einen sehr eingängigen Titel – Boy Scouts vs. Zombies. Kannst Du mir mehr darüber erzählen?

CL: (lacht) Boy Scouts vs. Zombies macht viel Spaß! Es ist eine Horrorkomödie über drei Boy Scouts auf ihrem letzten Ausflug. Ihre Stadt wird von einer Horde Zombies angegriffen und belagert und sie müssen sie retten. Der Film erinnert von der Stimmung her sehr an Die Goonies (1985, von Richard Donner). Er wist wirklich lustig, liebenswert, aber auch gruselig. Der Film stellt auch das ganze Zombie-Genre ein bisschen au den Kopf. Das hat mich zu diesem Projekt hingezogen. Ich fange immer bei den Charakteren an. Wenn ich in die Charaktere gut hineinkomme, komme ich auch besser in die Story rein.

FF: Wir der Film ein R-Rating haben (Anm. der Red: US-amerikanische Altersfreigabe ab 17 Jahren)

CL: Ja, auf jeden Fall ein R-Rating.

FF: Ich bin auf den Film sehr gespannt. Vielen Dank für das tolle Interview!

von Arthur Awanesjan

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Paranormal Activity – Die Gezeichneten läuft seit dem 2.01.2014 in den deutschen Kinos.

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