Beasts of the Southern Wild (2012)

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Beasts of the Southern Wild, USA 2012 • 93 Min • Regie: Benh Zeitlin • Mit: Quvenzhané Wallis, Dwight Henry, Levy Easterly • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 20.12.2012 • Deutsche Website

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Handlung

Hushpuppy (Quvenzhané Wallis) ist ein aufgewecktes, lebensfrohes sechsjähriges Mädchen, das mit ihrem liebevollen, aber strengen Vater Wink (Dwight Henry) in einer verwilderten Bayou-Siedling namens Bathtub lebt. Als ein Sturm Bathtub fast komplett unter Wasser setzt und das Vieh tötet, fliehen die meisten Bewohner hinter den Damm, der die beinahe mythische Kommune von der „realen Welt“ trennt. Doch ein Haufen exzentrischer, auf ihr Häufchen Land stolzer Bewohner von Bathtub, darunter Hushpuppy und ihr Vater, bleiben zurück, um der Natur zu trotzen und ihren Lebensraum zurück zu erobern. Dazu greifen Wink und seine Freunde zu einer ebenso verzweifelten wie aberwitzigen Maßnahme…

Kritik

Beasts2Hört man heutzutage von einem amerikanischen Independent-Drama, welches sich mit den Auswirkungen von Hurricane Katrina auf die Bevölkerung von Louisiana auseinandersetzt, dann erwartet man ein Stück harte, deprimierende Kost. Hat man es mit einem optimistischen Filmemacher zu tun, dann erhalten die Charaktere zumindest ein Happy End und die Geschichte wird mit viel Humor und Herz versehen. Vor allem würde man bei der Prämisse und trotz des Independent-Siegels wahrscheinlich einen Film nach einem gewohnten Muster erwarten. Es dauert keine fünf Minuten, bis Beasts of the Southern Wild den Zuschauer vom Gegenteil überzeugt.  Wie seine Charaktere, die Bewohner von Bathtub, weigert sich der Film jeglichen Regeln zu folgen. Er macht sein eigenes Ding und ist dabei so von sich überzeugt wie seine kleine Heldin. Von der ersten Minute an zieht der diesjährige Sundance-Gewinner den Zuschauer in seinen Bann und entführt ihn in die magische, surreale Welt von Bathtub, gesehen durch die wissbegierigen Augen einer jungen Philosophin.  Angelehnt ist das Setting tatsächlich an die reale Insel Isle de Jean Charles, doch man fühlt sich in eine andere, archaische Welt hineinversetzt, die sich jenseits von Zeit befindet. Es sind die einfachsten Verhältnisse, in denen diese Menschen leben, doch sie sind glücklich und sie haben einander. So ist jedenfalls Hushpuppys Sicht auf die Dinge. Ihre Kindheit sieht für den in „normalen“ Verhältnissen aufgewachsenen Außenbetrachter nicht sonderlich optimal aus, doch sie könnte kaum glücklicher sein.

Beasts1Mit dem sintflutartigen Sturm (der zwar nie als Katrina bezeichnet wird, doch es bedarf keinen Sherlock Holmes hier, um die Schluss zu ziehen) wird Hushpuppys Welt zerstört. Sowohl in buchstäblicher als auch in symbolischer Sicht, denn parallel zum Sturm verschlechtert sie die geheimnisvolle Erkrankung ihres Vaters. Doch anstatt zu verzweifeln, stellt sich Hushpuppy mutig all dem, was auf sie zukommt. Wie man der Beschreibung sicherlich anmerken kann, ist es eine Rolle, die unglaublich viel von seiner kleinen Darstellerin abverlangt. Die Besetzung von Hushpuppy war essentiell für den Erfolg des Films und Zeitlin gelang mit Wallis sein größter Coup. Es kommt nicht selten vor, dass manch ein Film gerade an den Kinderschauspielern, die über wenig Erfahrung verfügen, scheitert. Umso erstaunlicher ist die Darbietung der entzückenden Quvenzhané Wallis. Nur sechs Jahre alt während der Dreharbeiten, kann sie es locker mit den besten erwachsenen Performances des Jahres aufnehmen. Mit ihrer wilden Frisur und stolzgeschwellter Brust stellt sie sich allen Herausforderungen genauso tapfer, wie die Erwachsenen um sie herum, wobei sie durch ihre kindliche Philosophie („wir sind ein winziger Teil eines sehr großen Universums“) mehr Verständnis von den Ereignissen um sie herum zeigt als alle anderen. Trotz dieser Off-Kommentare bekommt man nie den Eindruck, es mit einer neunmalklugen Göre zu tun. Hushpuppys Überlegungen wirken nie aufgesetzt oder künstlich und das ist einzig und alleine der kleinen Darstellerin zu verdanken. Dwight Henry als ihr resoluter Vater ist ebenfalls ein Naturtalent, obwohl es auch für den Bäcker aus New Orleans die erste Filmrolle ist. Die Beziehung zwischen Vater und Tochter ist zwar liebevoll, aber fernab der üblichen Mainstream-Darstellungen. Wink ist ein harter Trinker und geht mit Hushpuppy auch zuweilen ziemlich schroff um, um sie auf die harte Welt vorzubereiten. Gerade diese ambivalente Beziehung zwischen den beiden verleiht ihr noch mehr Realität und berührt einen, wenn es Wink schlecht geht.

Beasts3Das größte „Problem“ von Beasts of the Southern Wild ist wohl, dass er mit seiner furiosen Eröffnung, die in einem perfektes Zusammenspiel von Bildern und Musik ein buchstäbliches Feuerwerk an nicht zu bändigender Energie auf der Leinwand entfacht und so die Welt von Bathtub vorstellt, viel von seinem Pulver verschießt. Es ist ein grandioser Einstieg, der zu den besten Filmszenen des Jahres 2012 gehört und ein gutes Argument dafür vorlegt, dass die von Zeitlin mitkomponierte zauberhafte Musik bei den kommenden Oscars auf jeden Fall Berücksichtigung finden sollte. Doch zu diesem Zeitpunkt hat der Film die eigene Messlatte fast unerreichbar hoch gelegt. Was folgt ist natürlich auch gut, doch das Versprechen, dass hier ein modernes Meisterwerk erschaffen wurde, welches die ersten Minuten nahelegen, wird nicht gänzlich eingehalten. Daran sind unter anderem die über das Ziel hinausschießenden Ambitionen des Filmemachers schuld. Die Hurricane Katrina-Katastrophe wird in dem Film sehr delikat und subtil verarbeitet, doch das reicht ihm nicht aus. Er will ein größeres Statement machen – über den Umweltschutz, die Erderwärmung und die generelle Verantwortung der Menschheit, der wir uns stellen müssen, wie es Hushpuppy bei den aus dem ewigen Eis erwachten titelgebenden Urzeit-Monstern tut. Zugleich ist es auch eine Liebeserklärung an den Süden der USA, denn dieser Film atmet den Bayou-Spirit mit jeder Pore. Es ist ein bewundernswertes Unterfangen, das tatsächlich mehr gelingt, als man es glauben würde. Dennoch schweift der Film trotz der kurzen Laufzeit leider gegen Ende etwas von seiner relativ geraden Linie ab, in einer Sequenz, in der Hushpuppy mit anderen Kinder von Bathtub in einem auf dem Wasser treibenden Bordell landen.

Dennoch verdienen Beasts und sein Regisseur Benh Zeitlin höchste Anerkennung, weil er sich gewagt hat, etwas Neues zu tun und die Regeln aufzubrechen. Dass bei einem so ehrgeizigen Projekt nicht alles gelingt, war wohl zu erwarten, doch alleine schon der Mut, alle diese Themen mit einer solch ungewöhnlichen Erzählform so selbstsicher in Angriff zu nehmen, verdient viel Lob und lässt einen sehr gespannt bleiben auf die künftigen Arbeiten des Nachwuchsregisseurs.

Fazit

Obwohl sich der Film bei seinen Ambitionen zuweilen selbst übernimmt und gegen Ende leider etwas abschweift, ist Beasts of the Southern Wild ein magisches Filmfeuerwerk und ein bemerkenswertes Debüt für den Regisseur und seine kleine Darstellerin.

Trailer