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Godzilla x Kong: The New Empire (2024) Kritik

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Godzilla x Kong The New Empire (2023) Filmkritik

Godzilla x Kong: The New Empire, USA 2024 • 115 Min • Regie: Adam Wingard • Mit: Rebecca Hall, Dan Stevens, Kaylee Hottle, Brian Tyree Henry, Fala Chen, Alex Ferns • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 04.04.2024 • Deutsche Website

Handlung

Drei Jahre nach ihrem zerstörerischen Zusammenprall in Hongkong und ihrem gemeinsamen Sieg über Mechagodzilla gehen sich die Alphatiere Godzilla und Kong aus dem Weg. Während Kong einsam über die Hohlerde herrscht und vergeblich nach weiteren Vertretern seiner Art sucht, hält Godzilla an der Erdoberfläche die fragile Balance zwischen riesenhaften Titanen und der Menschheit aufrecht. Diese Balance gerät in Gefahr, als Kong auf einem seiner Streifzüge in einen verborgenen und unerforschten Bereich der Hohlerde vorstößt, wo er auf viele andere Mitglieder seiner Spezies trifft, die jedoch unter der Fuchtel des tyrannischen Skar King stehen. Skar King versuchte schon vor Jahrtausenden, die Erdoberfläche zu erobern und konnte lediglich von Godzilla aufgehalten werden. Alleine hat Kong gegen den Skar King und den von ihm kontrollierten Titanen Shimo keine Chance. Der Schlüssel zur Rettung der Welt könnte ausgerechnet die junge gehörlose Jia (Kaylee Hottle) sein, die letzte Überlebende ihres Stammes von Skull Island, die eine besondere Verbindung zu Kong aufweist. Sie spürt ein mysteriöses Notruf-Signal aus den Tiefen der Hohlerde, das auch Godzilla erreicht. Gemeinsam mit ihrer Adoptivmutter, der Wissenschaftlerin Dr. Ilene Andrews (Rebecca Hall), dem Verschwörungstheoretiker Bernie (Brian Tyree Henry) und dem Titanen-Veterinär Trapper (Dan Stevens) macht sie sich auf eine gefährliche Reise in die Hohlerde auf, wo sie eine gewaltige Überraschung erwartet…

Kritik

Das berühmteste Monster der Filmgeschichte feiert dieses Jahr sein Jubiläum: Godzilla wird 70! Trotz ihres fortgeschrittenen Alters ist die Riesenechse mit Nuklearatem in letzter Zeit fleißiger denn je, sowohl im Kino als auch im Fernsehen. Während Apple-Serie "Monarch: Legacy of Monsters" Teil des MonsterVerse war, dessen Grundstein vor zehn Jahren mit Gareth Edwards' Godzilla im Kino gelegt wurde, und die Lücke zwischen jenem Film und Godzilla II: King of the Monsters füllte, zeigte Godzilla Minus One aus Godzillas japanischer Geburtsstätte Toho, dass das Franchise auch nach sieben Jahrzehnten und mehr als 30 Filmen erfrischend wirken und positiv überraschen kann. Godzilla Minus One verzichtete auf die Darstellung Godzillas als großer Beschützer, kehrte stattdessen zu den Ursprüngen der Reihe als Verarbeitung des japanischen Nachkriegstraumas zurück und rückte erstmals menschliche Schicksale in den Vordergrund. Damit hat er geschafft, was keinem anderen Godzilla-Film zuvor gelungen ist: Menschliche Charaktere, die den Film bereichern statt Lückenfüller zwischen den Monsterszenen zu sein. Zudem war Godzilla als unaufhaltsame Naturgewalt noch nie furchteinflößender als in dem Film.

Godzilla x Kong The New Empire (2024) Filmbild 1Lange müssen Godzilla-Fans nicht auf dem Trockenen sitzen. Weniger als einen Monat nach dem historischen Sieg von Godzilla Minus One bei den Oscars kommt mit Godzilla x Kong: The New Empire Nachschub aus Hollywood in die Kinos. Was nach einer seltsamen mathematischen Gleichung aussieht, ist der fünfte Kinofilm aus dem MonsterVerse und der unmittelbare Nachfolger von Godzilla vs. Kong. Bevor Ihr Euch übrigens den Kopf darüber zerbrecht, wie Ihr den Filmtitel an der Kinokasse richtig aussprecht: Laut Adam Wingard ist das "x" stumm.

Als Godzilla 2014 in die Kinos zurückkehrte, bestach der Film durch seine unheilvolle Atmosphäre und atemberaubende Aufnahmen. Es gab jedoch einen großen Kritikpunkt unter den Fans: Godzilla und Monster-Action kamen viel zu kurz. Diesen Vorwurf kann man Godzilla x Kong definitiv nicht machen. Adam Wingard (You’re Next), der nach dem großen Erfolg von Godzilla vs. Kong mitten während der Pandemie als erster MonsterVerse-Regisseur für einen zweiten Einsatz zurückkehren durfte, schraubt die Kaiju-Screentime diesmal noch höher. Es vergehen keine fünf Minuten nach Filmbeginn, bis sowohl Kong als auch Godzilla jeweils ihre ersten Gegner erledigt haben und mit Rom eine weitere (aber nicht die letzte) geplättet wurde. Die ewige Stadt, die auch in Fast & Furious 10 und Mission: Impossible – Dead Reckoning letztes Jahr eine große Rolle spielte, scheint es in letzter Zeit den Filmemachern als Schauplatz großer Actionsequenzen angetan zu haben. In Godzilla x Kong gibt es immerhin einen netten wiederkehrenden visueller Gag mit einer ikonischen Sehenswürdigkeit der Stadt.

Godzilla x Kong The New Empire (2024) Filmbild 2Eins der größten Probleme der meisten bisherigen Godzilla-Filme waren die uninteressanten menschlichen Charaktere, die lediglich zur Überbrückung zwischen den Actionszenen dienten. Sich dessen bewusst, reduziert Wingard den menschlichen Cast und die Handlung auf das absolut Nötigste und lässt stattdessen seine Monster und deren Fäuste, Zähne, Klauen, Äxte und Knochenpeitschen sprechen. Über weite Strecken ist in Godzilla x Kong kein Mensch zu sehen und der Film hat mehr mit Disneys computeranimierter Neuverfilmung von Der König der Löwen gemeinsam als mit einem Realfilm. Das CGI ist zum Glück besser als der erste Trailer zum Film befürchten ließ, entfaltet aber durch den inflationären Einsatz nicht die gleiche Wirkung wie die oscarprämierten Effekte des zehnfach günstigeren Godzilla Minus One.

Godzilla x Kong The New Empire (2024) Filmbild 3Auch wenn beide Kaijus Teil des Filmtitels sind, taucht Godzilla vor dem großen Finale nur sporadisch auf. Seine optische Generalüberholung mit magentafarbenen Stacheln, mit der die Trailer für Verwunderung sorgten, wird übrigens inhaltlich erklärt. Der eigentliche Star des Films ist zweifellos Kong, der deutlich größere Entwicklung durchmacht und mehr emotionale Bandbreite zeigt als alle menschlichen Figuren des Films. Von diesen ist die talentierte Rebecca Hall, die ihre Rolle aus Godzilla vs. Kong wieder verkörpert, besonders schmerzlich verschwendet. Ihre Rolle besteht hauptsächlich darin, sich um ihre Adoptivtochter Sorgen zu machen und die Zuschauer mit Expositionsmonologen durch die konfuse und letztlich irrelevante Handlung zu führen.

Alle Darsteller im Film scheinen ihre Rolle als Beiwerk in einem Monsterspektakel akzeptiert zu haben. Lediglich Neuzugang Dan Stevens versucht, mit derselben Energie und dem gleichen leicht irren Blick wie in Wingards Filmperle The Guest dagegen anzukämpfen und etwas Leben in die wenigen monsterfreien Szenen einzuhauchen. Doch auch er kommt nicht gegen das Drehbuch an, das die Menschen zu Gunsten von Monstern klar depriorisiert.

Godzilla x Kong The New Empire (2024) Filmbild 4Noch mehr als sein Vorgänger will Godzilla x Kong: The New Empire nichts anderes sein als ein unprätentiöses Monster-B-Movie mit dem Budget eines Hollywood-Blockbusters, das sich nicht sonderlich ernst nimmt. Reicht es einem, zwei Stunden lang computeranimierten Monstern dabei zuzuschauen, wie sie sich gegenseitig die Scheiße aus dem Leib prügeln, kommt man voll auf seine Kosten. Daran ist nichts prinzipiell verkehrt und insbesondere im IMAX (dieser Rezension liegt eine IMAX-Sichtung zugrunde) haben die minutenlangen Actionszenen ordentlich Wumms. Weil man jedoch weder um die beiden Titelmonster noch um die menschlichen Hauptfiguren jemals ernsthaft bangen muss und der Ausgang eines jeden Kampfes vorhersehbar ist, kommt keinerlei Spannung auf und das Gekloppe wirkt auf Dauer redundant und ermüdend.

Fazit

Godzilla x Kong: The New Empire ist das cineastische Äquivalent einer Freizeitpark-Attraktion. Der Film will nicht mehr sein als eine Aneinanderreihung minutenlanger, brachialer CGI-Monsterkämpfe, die lose durch eine nebensächliche Handlung miteinander verbunden sind. Wer keinen größeren Anspruch an den Film stellt, wird gut bedient. Allerdings wirkt das Gekloppe ohne jegliche Spannung oder nennenswerte Einsätze auf Dauer ermüdend und belanglos, insbesondere nachdem Godzilla Minus One gezeigt hat, dass im Franchise auch mehr geht.

Trailer

Oscarnominierungen 2024: Die größten Gewinner, Verlierer und Überraschungen

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Oscarnominierungen 2024

Ryan Gosling, Margot Robbie und Greta Gerwig am Set von Barbie © 2023 Warner Bros. Pictures

Gestern wurden die Nominierungen für die 96. Academy Awards bekanntgegeben und glänzten diesmal mit erstaunlich wenig Überraschungen. In der Königsklasse "Bester Film" wurden genau die zehn Filme nominiert, die sich schon seit Wochen als Favoriten im Rennen abgezeichnet hatten und auch von der Produzentengewerkschaft PGA nominiert waren. Einige überraschende Nominierungen und Auslassungen gab es hingegen in den Regie- und Schauspielkategorien. Auf diese und andere interessante Fakten der diesjährigen Oscarnominierungen werde ich in meiner Zusammenfassung der größten Gewinner, Verlierer und Überraschungen eingehen. Um zu erfahren, wer die Goldjungs tatsächlich mitnehmen darf, müssen wir uns noch bis zum 10. März gedulden.

Gewinner

Oppenheimer – Dass der Film der haushohe Favorit im Oscar-Rennen ist, dürfte inzwischen niemanden mehr überraschen, der die Oscar-Saison in den letzten Wochen mitverfolgt hat. Ein massives Einspielergebnis, schwärmende Kritiken, ein Regisseur, der als einer der besten seiner Generation gilt, aber noch nie von der Academy ausgezeichnet wurde, halb Hollywood im Cast, mehrere Golden-Globe-Siege und ein leider hochaktuelles Thema: Sehr viel spricht für Oppenheimer als Kandidat für den Hauptpreis. Doch wie weit er vor der Konkurrenz ist, stellten die Oscarnominierungen eindrucksvoll unter Beweis. Mit insgesamt 13 Nennungen ist Oppenheimer der meistnominierte Film seit La La Land vor sieben Jahren. Hätte die Academy 2020 die zwei Ton-Kategorien nicht zu einer zusammengefasst und hätte die Effekte-Branche den Film nicht boykottiert, hätte er einen neuen Nominierungsrekord aufstellen könnte. So verpasste er den bisherigen Rekord um eine Nominierung, wurde aber in jeder relevanten Kategorie bedacht. Besonders erfreulich ist es, dass Emily Blunt nach einer Karriere fantastischer Performances endlich ihre erste Oscarnominierung erhalten hat.

Nicht-englischsprachige Filme – In den letzten Jahren hat die Academy große Bemühungen unternommen, die Wählerschaft diverser und internationaler zu machen. Zu diesem Zweck wurden viele neue Mitglieder aus europäischen und asiatischen Ländern eingeladen. Dieses Jahr stimmten Academy-Mitglieder aus 93 Ländern über die Oscarnominierungen ab – ein neuer Rekord. Die Wirkung zeigt sich schon seit Jahren – In den letzten fünf Jahren war bei jeder Verleihung mindestens ein Regisseur eines nicht-englischsprachigen Films oder ein Regisseur, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, nominiert. Dieses Jahr sind es mit Justine Triet und Jonathan Glazer sogar zwei. Auch ihre beiden Filme Anatomie eines Falls und The Zone of Interest wurden für den "Bester Film"-Oscar nominiert und schrieben Geschichte, denn erstmals sind gleich zwei nicht-englischsprachige-Filme im Rennen um den Hauptpreis. Drei sogar, wenn man die US-Produktion Past Lives, die zumindest überwiegend auf Südkoreanisch gedreht wurde, mitzählt.

Außerdem sind mit Anatomie eines Falls und The Zone of Interest erstmals zwei nicht-englischsprachige Filme in jeweils fünf Kategorien nominiert. Anatomie eines Falls ist erst der zweite fremdsprachige Film nach Das Leben ist schön, der bei den Oscars in den Film-, Regie-, Schauspiel-, Drehbuch- und Schnitt-Kategorien nominiert ist. Darüber hinaus ist es bemerkenswert, dass vier der fünf Anwärter in der Dokumentarfilm-Kategorie ebenfalls nicht aus anglophonen Ländern stammen und Doku-Schwergewichten wie American Symphony und Still: A Michael J. Fox Movie vorgezogen wurden. Zudem wurde mit Godzilla Minus One erstmals ein Film, der nicht in der westlichen Hemisphäre produziert wurde, für seine Effekte nominiert. Überhaupt ist es erst der dritte nicht-englischsprachige Film, der im Rennen um den Effekte-Oscar ist.

Filmemacherinnen – Noch nie waren so viele Filme in der Kategorie "Bester Film" von Frauen inszeniert wie dieses Jahr: Past Lives von Celine Song, Anatomie eines Falls von Justine Triet und Barbie von Greta Gerwig. Auch wenn Gerwig bizarrerweise für den Regie-Oscar übergangen wurde, kann sie sich damit rühmen, die erste Person überhaupt zu sein, deren ersten drei Regiearbeiten allesamt als "Bester Film" nominiert wurden.

Deutschland – Letztes Jahr triumphierte Deutschland mit dem Kriegsfilm Im Westen nichts Neues bei den Oscars. Die diesjährige Einreichung Das Lehrerzimmer wurde auch nominiert, hat aber gegen den Favoriten The Zone of Interest vermutlich keine Chance. Das beklemmende Auschwitz-Drama wurde von Großbritannien eingereicht, wurde aber in deutscher Sprache mit einem deutschen Cast gedreht. Ausnahmetalent Sandra Hüller spielt gleich in beiden Oscarkandidaten The Zone of Interest und Anatomie eines Falls mit. Für letzteren ist sie als erste deutsche Schauspielerin seit 85 Jahren für einen Oscar nominiert. Außerdem ist der gefeierte deutsche Filmemacher Wim Wenders mit seinem japanischen Film Perfect Days im Rennen um den Auslands-Oscar dabei.

LGBTQ-Community – Mit Jodie Foster (Nyad), Colman Domingo (Rustin) und Lily Gladstone (Killers of the Flower Moon) sind gleich drei Nominees in den Schauspielkategorien Mitglieder der LGBTQ-Community. Unter den 20 nominierten Performances handelt es sich außerdem bei sieben um Darstellungen von Personen, die der LGBTQ-Community angehören – ein neuer Academy-Rekord. Gladstone ist zudem die erste amerikanisch-indigene Schauspielerin überhaupt, die für einen Oscar nominiert wurde. Aktuell gilt sie als Favoritin in ihrer Kategorie.

America Ferrera (Barbie) – Nachdem sie bei den Golden Globes und der Schauspielergewerkschaft außen vor gelassen wurde, wurde sie von den Oscars überraschend nominiert – vermutlich hauptsächlich für ihren Frauenrollen-Monolog in dem Film.

Netflix – Nicht nur führt der Streamer mit 18 Nominierungen vor anderen Studios, fünf der 20 Kandidaten in Schauspielkategorien stammen aus Netflix-Produktionen.

Verlierer

Barbie – Es klingt auf den ersten Film vielleicht als bizarr, einen achtfach nominierten Film als Verlierer zu bezeichnen, insbesondere da vor einem Jahr vermutlich niemand damit gerechnet hat, dass Barbie überhaupt eine Rolle bei den Oscars spielen würde, geschweige denn in der Kategorie "Bester Film". Doch auch wenn mit America Ferreras Nebendarstellerin-Nominierung der Film einen kleinen Triumph feiern konnte, erstaunte die Academy durch die Auslassung der beiden Frauen, ohne die dieser Film so nie existieren könnte. Weder Greta Gerwigs Regie wurde nominiert noch Margot Robbies Performance in der Titelrolle. Nachdem beide im Laufe der Oscar-Saison immer wieder nominiert wurden und eigentlich als sichere Nummern galten, ist es ein herber Rückschlag für den Film. Gekoppelt mit der fehlenden Nominierung für den Schnitt sind die Chancen des Films auf den "Bester Film"-Oscar nichtig. In den letzten 40 Jahren haben nur zwei Filme (Birdman und CODA) den Hauptpreis ohne eine Schnitt-Nominierung gewonnen.

Die Farbe Lila – Steven Spielbergs Originalfilm hält gemeinsam mit Am Wendepunkt bis heute den Rekord für die meisten Oscarnominierungen eines Films (11) ohne einen einzigen Sieg. Die Musical-Neuauflage hat trotz positiver Reaktionen erheblich schlechter abgeschnitten und wurde lediglich in einer einzigen Kategorie (Danielle Brooks als beste Nebendarstellerin) nominiert. Autsch!

May December – Todd Haynes' Film ist einer der meistgelobten Filme des letzten Jahres in der Kritik gewesen, wurde für vier Golden Globes nominiert und räumte zahlreiche Kritikerpreise für Charles Meltons Performance ab. Bei den Oscars musste der Film sich jedoch mit einer einzigen Drehbuch-Nominierung begnügen.

Killers of the Flower Moon – Ja, der Film wurde zehnmal nominiert, darunter auch für seine Regie und den Schnitt, doch als einziger der zehn "Bester Film"-Kandidaten hat er keine Drehbuch-Nominierung und damit kaum Chancen auf den Hauptpreis. Auch Leonardo DiCaprio verpasste eine Nominierung als bester Hauptdarsteller.

Saltburn – Bei den Golden Globes und den BAFTAs gab es mehrere Nominierungen für Emerald Fennells polarisierenden Nachfolgefilm zu ihrem Regiedebüt Promising Young Woman. Im Internet sorgte der Streifen seit seiner weltweiten Veröffentlichung bei Amazon Prime im Dezember für Furore. Davon ließen sich Academy-Mitglieder nicht beeindrucken und vergaben dem Film keine einzige Nominierung.

Gefeierte Regieveteranen – David Fincher und Michael Mann hatten dieses Jahr neue Filme (Der Killer und Ferrari) am Start. In der Kritik kamen beide gut an, bei den Oscars gab es für sie keine Nominierungen.

Weitere interessante Fakten

John Williams hat für Indiana Jones und das Rad des Schicksals seine 54. Oscarnominierung ergattert und schließt langsam die Lücke zum Rekordhalter Walt Disney (59). Der 91-Jährige hat außerdem seinen eigenen Rekord als ältester Nominee in der Geschichte der Oscars gebrochen, den er erst letztes Jahr mit seiner Nominierung für Die Fabelmans aufgestellt hatte.

Martin Scorsese hat für Killers of the Flower Moon die zehnte Regie-Nominierung seiner Karriere erhalten und ist an Steven Spielberg als zweitmeistnominierter Filmemacher in der Kategorie vorbeigezogen. Vor ihm ist lediglich William Wyler mit zwölf Nominierungen. Gewonnen hat Scorsese bisher nur einmal, für Departed – Unter Feinden. Außerdem ist der 81-Jährige der älteste Regisseur, der je bei den Oscars nominiert wurde.

Robert De Niro hat für Killers of the Flower Moon die achte Schauspielnominierung seiner langen Karriere erhalten. Zwischen seiner ersten Nominierung für Der Pate II und seiner aktuellen liegen 49 Jahre. Damit hat er Katherine Hepburns Rekord für den längsten Abstand zwischen der ersten und letzten Nominierung übertroffen. Killers of the Flower Moon ist außerdem der 12. "Bester Film"-Anwärter, in dem De Niro mitspielt, was ebenfalls ein Academy-Rekord ist

– Mit ihrer neunten Nominierung hat Martin Scorseses Stamm-Editorin Thelma Schoonmaker einen neuen Nominierungsrekord in der "Bester Schnitt"-Kategorie aufgestellt.

– Zum zweiten Mal in Folge wurde der umsatzstärkste Film des Jahres (Barbie) als "Bester Film" nominiert. Dass es zwei Jahre hintereinander passiert, kam seit den Siebzigern als Rocky und Krieg der Sterne nominiert wurden, nicht mehr vor.

– Die zweifache Oscarpreisträgerin Jodie Foster hat für Nyad ihre erste Oscarnominierung seit 29 Jahren erhalten.

– Dank seiner Dreifach-Nominierung für Maestro (als Produzent, Hauptdarsteller und Co-Autor) zählt Bradley Cooper jetzt zwölf Oscarnominierungen, darunter fünf als Schauspieler. Gewonnen hat er noch nie und auch dieses Jahr stehen seine Chancen in allen drei Kategorien nicht sonderlich gut.

– Die beiden Nominierungen (für visuelle Effekte und den Ton) von Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins sind die ersten überhaupt für das M:I-Franchise. Auch die Effekte-Nominierung für Godzilla Minus One ist das erste Mal, dass der Kaiju bei den Oscars vertreten ist.

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Das war’s mit meiner Analyse der diesjährigen Oscarnominierungen. Ich hoffe, dass interessante Infos und Einblicke für Euch dabei waren und ich freue mich darauf, Euch bis zur Verleihung im März weiterhin über den Stand der Dinge im Oscar-Rennen auf dem Laufenden zu halten.

Aquaman: Lost Kingdom (2023) Kritik

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Aquaman Lost Kingdom Filmkritik

Aquaman and the Lost Kingdom, USA 2023 • 124 Min • Regie: James Wan • Mit: Jason Momoa, Patrick Wilson, Nicole Kidman, Yahya Abdul-Mateen II, Amber Heard, Dolph Lundgren, Temuera Morrison, Randall Park • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 21.12.2023 • Deutsche Website

Handlung

Auf den ersten Blick sieht das Leben von Arthur Curry alias Aquaman (Jason Momoa) nach einem wahrgewordenen Traum aus. Nach dem Sieg über seinen Halbbruder Orm (Patrick Wilson) sitzt er auf dem Thron des Unterwasser-Königreichs Atlantis. An Land zieht er mit seiner Frau Mera (Amber Heard) ihr gemeinsames Baby groß, das die Fähigkeit seines Vaters, mit den Meeresbewohnern zu sprechen, geerbt hat. Doch der Schein trügt. Die Politik langweilt Aquaman und ohne seinen verstorbenen Mentor Vulko überfordert ihn die doppelte Herausforderung als Herrscher über die sieben Meere und Familienvater. Lediglich bei gelegentlichen Scharmützeln mit Seepiraten oder bei einem (oder mehreren) Guinness mit seinem Vater (Temuera Morrison) kann er sich entspannen. Als dann Aquamans alter Gegner Black Manta (Yahya Abdul-Mateen II), der immer noch den Tod seines Vaters rächen will, mit mächtiger Technologie und einem geheimnisvollen schwarzen Dreizack wieder auftaucht und Atlantis und Arthurs Familie bedroht, ist er gezwungen, sich hilfesuchend an seinen inhaftierten Bruder Orm zu wenden. Widerwillig arbeiten sie zusammen, um Black Manta aufzuhalten, bevor er eine uralte Macht entfesselt, die die gesamte Welt vernichten könnte.

Kritik

Die (Vor)Weihnachtszeit im Dezember und die Tage zwischen Heiligabend und Silvester sind die besucherstärkste Zeit des Jahres für die Kinos. Sogar Filme, die schon seit Wochen laufen, können ihre Säle in der Zeit wieder brechend voll füllen. Es ist kein Zufall, dass Megahits wie Titanic, Der Herr der Ringe, Spider-Man: No Way Home, Titanic, beide Avatar-Teile und vier der letzten fünf Star-Wars-Filme im Dezember an den Start gingen und Milliarden an den Kinokassen scheffelten. Vor genau fünf Jahren war es Warners Aquaman, der zur ersten Wahl vieler Kinogänger in der Weihnachtszeit wurde. Wie ein Phönix stieg Jason Momoas wasserliebender Superheld aus der Asche des Justice-League-Fiaskos hinauf bescherte dem Studio einen Milliardenhit und die umsatzstärkste DC-Verfilmung aller Zeiten.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das zusammenhängende DC-Kinouniversum nur ein Jahr nach dem vorläufigen Tiefpunkt mit Justice League ihren nie wieder auch nur annähernd erreichten Höhepunkt feierte. Keine Frage, das Publikum liebte Aquaman. Nach einer Reihe von bierernsten und geradezu deprimierend düsteren Zack-Snyder-Filmen war Aquaman ein durch und durch unterhaltsamer Popcornfilm, wie er im Buche steht, dessen faszinierende, bildgewaltige Unterwasserwelten perfekt für die große Kinoleinwand waren. Aus einer Witzfigur der Popkultur machte Jason Momoa den coolsten und sexysten DC-Helden. Beste Voraussetzungen für das unausweichliche Sequel, würde man meinen.

Aquaman Lost Kingdom (2023) Filmbild 1Dass die Fortsetzung zu einer Comicverfilmung mit Milliardeneinspiel nicht automatisch auch ein Hit wird, führte Disneys The Marvels erst letzten Monat vor, als er zum größten Flop in der Geschichte des MCU wurde. Dass Aquaman: Lost Kingdom dieses Schicksal vermutlich vermeiden wird, liegt nicht an den (mageren) Erfolgsaussichten des Films, sondern vielmehr an der niedrigen Messlatte und der trostlosen Gesamtsituation des langsam dahinsiechenden DCEU. In den fünf Jahren seit dem ersten Aquaman ist Warners DC-Filmuniversum regelrecht implodiert, während die uneingeschränkte Begeisterung der Kinogänger für bunte große Comicverfilmungen in letzter Zeit Ermüdungserscheinungen gewichen ist. Seit im Januar ein komplettes Reboot des DCU ab 2025 unter der Leitung von James Gunn und Peter Safran angekündigt wurde und die verbleibenden, bereits abgedrehten Filme wie The Flash, Shazam! Fury of the the Gods und Aquaman: Lost Kingdom im Prinzip völlig irrelevant wurden, verflog bei vielen Fans auch das letzte bisschen Interesse an den Filmen. Anstelle des triumphalen Abschieds eines Filmuniversums, das immerhin ikonische Helden wie Wonder Woman, The Flash und Aquaman erstmals auf die Kinoleinwände gebracht und Batman und Superman zusammengeführt hat, kriecht das sterbende DCEU langsam und lustlos auf die Zielgerade zu.

Aquaman Lost Kingdom (2023) Filmbild 2Hat Warner für The Flash zumindest noch eine große Marketingskampagne aufgefahren und vergeblich versucht, den Film als einen Meilenstein unter Comicverfilmungen zu hypen, nur um letztlich trotzdem eine Bauchlandung hinzulegen, hat das Studio bei Aquaman: Lost Kingdom einfach aufgegeben. Obwohl der Film seit Ewigkeiten im Kasten ist, wurde der erste Trailer nur drei Monate vor Kinostart veröffentlicht. Nach Berichten über negative Testvorführungen, umfassende Nachdrehs, zahlreiche geschnittene Szenen, darunter mit beiden Batmans Ben Affleck und Michael Keaton, und der negativen Presse rund um Amber Heard, hat das Studio wohl beschlossen, den Schaden zu begrenzen und zu hoffen, dass James Gunn es besser hinkriegt als seine Vorgänger. Als dann auch noch auf eine große Weltpremiere mit dem roten Teppich verzichtet wurde und ich erfahren habe, dass der Film hierzulande nicht einmal eine Pressevorführung bekommen würde – etwas, was ich in den letzten zwölf Jahren bei keiner großen Marvel- oder DC-Verfilmung, einschließlich des grotesken Fantastic-Four-Reboots, erlebt habe – ahnte ich Schlimmes.

Aquaman Lost Kingdom (2023) Filmbild 3Vielleicht waren es diese extrem niedrigen Erwartungen, die ein schlimmeres Schlamassel als Suicide Squad oder Justice League befürchten ließen, die letztlich dafür sorgten, dass Aquaman: Lost Kingdom mich insgesamt erfreulich überrascht und über weite Strecken passabel unterhalten hat. Es ist sogar erstaunlich, wie wenig bemerkenswert der Film in jeder Hinsicht ist. Der 15. und letzte Film des DCEU ist weder ein spektakuläres Desaster noch ein nennenswertes Schlusswort, sondern eine leidlich kurzweilige, CGI-überladene Actionkomödie, die auf jegliche Verweise zu anderen Filmen oder Helden aus dem Universum verzichtet. Holte The Flash noch seine Justice-League-Kollegen Wonder Woman, Aquaman und Afflecks Batman vor die Kamera, spielt Aquaman: Lost Kingdom vom Anfang bis zum Ende ausschließlich in seiner eigenen Welt. Es ist offensichtlich, dass hier mehrfach die Schere angesetzt musste, um den Film an die veränderten Umstände anzupassen. Die Szenenübergänge und Plotentwicklungen wirken sprunghaft, das Tempo ist uneben.

Aquaman Lost Kingdom (2023) Filmbild 4Dennoch ist es schwer, den Film überhaupt nicht zu mögen, und das liegt hauptsächlich an seinen grundsympathischen Hauptdarstellern Momoa und Wilson, deren verbaler Schlagabtausch für beste Buddy-Chemie sorgt. Hat der erste Aquaman schon eine dicke Scheibe bei Marvels Thor abgeschnitten, werden die Thor/Loki-Parallelen im Nachfolger noch mehr ausgereizt. Wie erwartet, ist Amber Heards Rolle im Sequel deutlich reduziert, jedoch ist diese Entwicklung weitgehend sinnvoll in die Handlung eingearbeitet und fällt nicht sonderlich auf. Dafür gibt es diesmal noch mehr vom Bongo-trommelnden Oktopus Topo, der weitere verborgene Talente besitzt. Trotz größerer Rolle ist der talentierte Yahya Abdul-Mateen II als Black Manta leider wieder komplett verschwendet.

Der Film folgt haargenau dem Muster des ersten Films. Ein ungleiches Duo erlebt wilde Abenteuer an exotischen Locations in einem Wettlauf gegen die Zeit auf der Suche nach einem mächtigen Artefakt. Dabei bedient sich Regisseur James Wan schamlos bei Star Wars (Stichwort: Cantina-Szene) und vor allem bei Der Herr der Ringe. Man ersetze den schwarzen Dreizack durch den einen Ring, Pilou Asbæks Kordax durch Sauron und sein Königreich Necrus durch Mordor und schon hat man Mittelerde unter Wasser. Das ist aber vermutlich nur passend, nachdem mich schon die finale Unterwasser-Schlacht im ersten Aquaman positiv an Die Rückkehr des Königs erinnerte.

Aquaman Lost Kingdom (2023) Filmbild 5Mit einigen furchterregenden Kreaturen kann James Wan sein Faible für Horror auch in Lost Kingdom wieder ausleben. Ein weiterer gelegentlicher Minuspunkt dabei sind die Computereffekte. Haben die Visuals im ersten Aquaman mich noch umgehauen, leidet das Sequel in etlichen Szenen unter demselben Problem des unausgegorenen CGI wie viele andere Hollywood-Blockbuster und Comicadaptionen in letzter Zeit. Die visuellen Ideen sind dabei häufig gut, die Umsetzung nach heutigen Standards jedoch dürftig. Trotz des üppigeren Budgets wirkt Lost Kingdom außerdem irgendwie kleiner und visuell weniger ambitioniert als sein Vorgänger, was vermutlich u. a. den zahlreichen entfernten Szenen geschuldet ist. Endete der erste Film noch mit einer massiven Schlacht, ist das Ende von Aquaman: Lost Kingdom antiklimatisch und unaufregend, was andererseits auch eine gute Symbolik für das Ende des DCEU ist. Die Klimawandel-Message des Films ist gut gemeint, jedoch mit der Subtilität eines Vorschlaghammers eingearbeitet.

Aquaman Lost Kingdom (2023) Filmbild 6Wer den ersten Aquaman liebte, wird die Fortsetzung nicht hassen, denn sie erfüllt zumindest die Mindestanforderung eines actionreichen, humorvollen Filmabends ohne grobe Patzer. Als Abschlussfilm des Gesamt-DCEU ist er jedoch denkbar unbedeutend. Eine Abspannszene gibt es übrigens dennoch, aber irgendwelche Zukunfts-Teaser sollte man nicht erwarten.

Fazit

 

Trailer

Thanksgiving (2023) Kritik

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Thanksgiving (2023) Filmkritik

Thanksgiving, USA 2023 • 107 Min • Regie: Eli Roth • Mit: Nell Velarque, Patrick Dempsey, Milo Manheim, Jalen Thomas Brooks, Addison Rae, Rick Hoffman, Gina Gershon, Gabriel Davenport, Jenna Warren • FSK: ab 18 Jahren • Kinostart: 16.11.2023 • Website

Handlung

Knuspriger Truthahn, saftige Maiskolben, festliche Paraden und große Familientreffen: Das sind unverwechselbare Elemente von Thanksgiving. Der Nationalfeiertag wird jeden vierten November-Donnerstag gefeiert und ist ein wichtiger Teil der US-amerikanischen Kultur und Identität. Einen besonders hohen Stellenwert hat Thanksgiving im beschaulichen Städtchen Plymouth, Massachusetts, wo vor 400 Jahren die Pilgerväter das allererste Erntedankfest gefeiert haben. Thomas Wright (Rick Hoffman) betreibt in Plymouth einen großen Supermarkt und beschließt, die Black-Friday-Aktion, die mit ihren drastischen reduzierten Preisangeboten inzwischen auch fest zur Thanksgiving-Tradition gehört, bereits am Donnerstagabend einzuläuten. Doch er unterschätzt den Lockruf der kostenlosen Waffeleisen für die ersten 100 Kunden und stellt nur zwei Sicherheitskräfte ein, die im Angesicht der konsumgeilen Massen hoffnungslos überfordert sind. Als Thomas' Tochter Jessica (Nell Velarque) sich gemeinsam mit ihrer Clique absetzt, um dem Familienessen mit ihrer unliebsamen Stiefmutter (Karen Cliche) zu entfliehen, legen sie einen kurzen Zwischenstopp am Supermarkt von Jessicas Vater ein, wo eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen zu einem Massengedränge mit Toten und Verletzten führt. Weil alle Aufnahmen von Überwachungskameras daraufhin mysteriös verschwinden, wird niemand zur Rechenschaft gezogen. Doch ein Jahr nach der Tragödie, als Thomas die nächste Black-Friday-Aktion plant, wird Plymouth von einer Reihe grausamer Morde erschüttert. Ein Serienkiller, der sich als Pilgervater John Carver verkleidet, treibt sein Unwesen und hat es auf alle abgesehen, die an der Black-Friday-Katastrophe beteiligt waren, darunter Jessicas Familie und Freunde.

Kritik

Es kommt gelegentlich vor, dass die Marketing-Kampagne zu besonders großen und heiß erwarteten Filmen mehr als ein Jahr vor ihrer Veröffentlichung mit dem ersten Teaser beginnt. Dass 16 Jahre zwischen dem Trailer und dem dazugehörigen Film liegen, ist jedoch vermutlich präzedenzlos. Als die befreundeten Kult-Regisseure Quentin Tarantino und Robert Rodriguez 2007 mit ihrem Double-Feature Grindhouse ihrer Liebe für das dreckige Exploitation-Kino der Siebziger frönten, rundeten sie das dreistündige Gesamterlebnis, das in seiner ursprünglichen Form leider nur in nordamerikanischen Lichtspielhäusern, der Geburtsstätte des Grindhouse-Kinos, zu sehen war, mit Fake-Trailern für mehrere fiktive Genrefilme ab, die von unterschiedlichen Filmemachern eigens fürs Double Feature produziert wurden. Weil Trailer unweigerlich dazu dienen, den Appetit der Filmfans auf den Hauptgang zu wecken, wurden schnell Rufe nach entsprechenden Spielfilmversionen laut. Wo es Nachfrage gibt, kommt früher oder später auch das Angebot. Nur drei Jahre nach Grindhouse kam mit Robert Rodriguez' Machete die erste Trailer-Verfilmung in die Kinos und genießt inzwischen selbst Kultstatus. Ein Jahr später folgte Jason Eiseners Hobo with a Shotgun und 2013 kam Machete Kills.

Thanksgiving (2023) Filmbild 1Eli Roth ließ die Fans hingegen 16 Jahre auf die Ausweitung seines Fake-Trailers Thanksgiving warten und drehte in der Zwischenzeit verzichtbare Filme wie den Kannibalenhorror The Green Inferno, das maue Death-Wish-Remake und den unfreiwillig lustigen Erotikthriller Knock Knock. Dabei war Thanksgiving neben Machete vermutlich der filmreifste und beliebteste unter den Grindhouse-Trailern. Das Konzept dahinter war denkbar simpel. Mit seinem Trailer huldigte der bekennende Exploitation-Fan Roth den Feiertags-Slashern der Siebziger und Achtziger wie Black Christmas (bzw. Jessy – Die Treppe in den Tod), Halloween und Stille Nacht – Horror Nacht. Der Trailer zu Thanksgiving wirkte wie ein verloren geglaubter Achtziger-Slasher, in dem ein maskierter Mörder sein Unwesen in einer Kleinstadt an Thanksgiving treibt. Es war aber vor allem die berüchtigte Trampolinszene, bei der der Killer einer jungen Frau mit dem Messer direkt in die entblößten Genitalien sticht, die sich ins Gedächtnis eingebrannt hat.

Thanksgiving (2023) Filmbild 2Die besagte Trampolinszene hat es auch in die Spielfilmversion von Thanksgiving geschafft, wenn auch in etwas abgewandelter Form. Auch weitere Schlüsselmomente aus dem Fake-Trailer findet sich im Film wieder, doch der Gesamtton hat sich verändert. War der ursprüngliche Trailer eine Hommage an das Slasherkino der Siebziger und Achtziger, lehnt sich die Filmversion eindeutig an die nächste Slasherwelle an, die Scream Ende der Neunziger ausgelöst hat. In gewisser Hinsicht ergibt das auch Sinn und berücksichtigt die 16 Jahre, die zwischen dem Thanksgiving-Trailer und dem Kinofilm vergangen sind. In der Zeit hat sich Nostalgie für Teenie-Slasher aus den 1990ern und frühen 2000ern herausgebildet und das gesamte Genre ist seit den neuen Scream-Filmen wieder im Aufwind.

Es ist jedoch nicht Wes Cravens cleverer Meta-Slasher, den Thanksgiving imitiert, sondern dessen schlichtere Nachahmer. Ja, dieser Killer livestreamt einige seiner Gräueltaten, markiert seine künftigen Opfer in einem Instagram-Post und es gibt auch einen Kommentar zur Sensationsgeilheit im Internet (es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, dass mit Addison Rae einer der größten TikTok-Stars der Welt in der Hauptbesetzung mitspielt), ansonsten hätte der Film glatt zwischen Düstere Legenden und Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast veröffentlicht werden können. Insbesondere letzterer spiegelt sich inhaltlich und inszenatorisch in Thanksgiving wider – bis hin zur Schlussszene.

Thanksgiving (2023) Filmbild 3So wie jeder durchschnittliche US-Amerikaner einen saftigen Truthahn am Thanksgiving-Tisch erwartet, weiß Eli Roth ganz genau, was sein Publikum sehen will und zieht die Gewaltschraube mächtig an. Bereits in der Supermarktszene zu Filmbeginn schafft er klare Verhältnisse und zeigt, dass sein Film nicht für Zartbesaitete ist. In diesem Ton geht es auch weiter: Hier wird geköpft, ausgeweidet und beim lebendigen Leibe geröstet, was das Zeug hält. Thanksgiving ist Roths sechster von acht Filmen, die hierzulande mit dem roten FSK-18-Siegel in die Kinos kommt, und die Freigabe hat er sich redlich verdient. Auch einige kreative und gelegentlich aufrichtig eklige Gewaltspitzen lässt er sich einfallen und seien wir mal ehrlich, als Slasherfan ist das schon die halbe Miete. Mit dem Axt-schwingenden, Hut-tragenden, unheimlich maskierten Bösewicht haben Roth und sein Drehbuchautor Jeff Rendell außerdem auf Anhieb einen neuen potenziell ikonischen Schlitzer erschaffen, auch wenn die Auflösung seiner Identität gleichermaßen vorhersehbar wie unlogisch ist.

Thanksgiving (2023) Filmbild 4Wohl oder übel finden neben heftigem Gore aber auch andere typische Merkmale von Eli Roth ihren Weg in den Film: zahlreiche unsympathische Charaktere, bescheuerte Dialoge, viele "Fuck"s und exzentrische Nebenfiguren, die letztlich keine Rolle spielen. An der schauspielerischen Front gibt es nicht viel zu vermelden, wobei Nell Velarque als Jessica ein ordentliches Final Girl abgibt. Für den Goldstatus der Scream Queens à la Sidney Prescott oder Laurie Strode reicht es nicht, liegt aber auch am Drehbuch, das ihr keinen großen Gefallen tut.

In einem Jahr von tollen Genrefilmen wie M3GAN, Scream VI, Evil Dead Rise und Talk to Me spielt Eli Roths Thanksgiving eine eher untergeordnete Rolle, bietet den Fans aber mehr oder weniger genau das, wofür sie ihr Kinoticket kaufen. Wer sehen möchte, wie ein rachsüchtiger Killer unsympathische Gestalten und austauschbare Teenager kreativ und brutal abmurkst, wird auf seine Kosten kommen. Neu ist daran gar nichts, verkehrt aber auch nicht. Es ist lediglich etwas bedauerlich, dass Roth nicht tatsächlich einen vollblütigen Achtziger-Slasher gedreht hat, was vermutlich noch besser zu ihm gepasst hätte.

Fazit

Auch wenn Eli Roths Thanksgiving mehrere Schlüsselszenen (in abgewandelter Form) aus dem Fake-Trailer übernimmt, ist die Spielfilmversion keine Hommage an Slasherfilme der Achtziger, sondern lehnt sich an die Slasherwelle an, die Scream Ende der Neunziger ausgelöst hat. Für Thanksgiving stand jedoch nicht Wes Cravens cleverer Meta-Slasher selbst Pate, sondern vielmehr dessen gradlinige Nachahmer wie Düstere Legenden, Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast und Schrei wenn du kannst. Der seit 16 Jahren aufgebauten Vorfreude wird der Film vielleicht nicht ganz gerecht, Roth leistet jedoch einen kompetent inszenierten, schnörkellosen und überaus blutigen Beitrag zum Horror-Subgenre, das dank den neuen Scream-Filmen aktuell wieder ein Revival erlebt.

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The Marvels (2023) Kritik

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The Marvels (2023) Filmkritik

The Marvels, USA 2023 • 105 Min • Regie: Nia DaCosta • Mit: Brie Larson, Iman Vellani, Teyonah Parris, Samuel L. Jackson, Zawe Ashton • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 8.11.2023 • Deutsche Website

Handlung

Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Carol Danvers alias Captain Marvel (Brie Larson) hat es sicherlich gut gemeint, als sie die Oberste Intelligenz zerstört hat, um das Volk der Kree von ihrem Joch zu befreien. Doch der Plan ging nach hinten los und brachte Carol unter den Kree den Namen "Die Vernichterin" ein, denn ohne die Führung der Obersten Intelligenz wurde ihre Gesellschaft durch Bürgerkriege zerrissen. Erst Dar-Benn (Zawe Ashton) konnte nach Ronans (Lee Pace) Tod ihr Volk wieder zusammenbringen, jedoch nicht bevor der sein Heimatplanet Hala infolge der Kriege sämtliche Ressourcen verloren hat und nahezu unbewohnbar wurde. Um Hala wiederherzustellen, zapft Dar-Benn natürliche Ressourcen anderer Planeten wie Wasser und Luft ohne Rücksicht auf Verluste ab. Dafür setzt sie ein Quantum Band ein, ein uraltes Artefakt. Um seine volle Macht nutzen zu können, fehlt ihr jedoch das zweite Quantum Band. Das befindet sich ausgerechnet am Handgelenk von Captain Marvels größtem Fangirl Kamala Khan (Iman Vellani) aus New Jersey, die selbst kürzlich erst ihre Superkräfte entdeckt und sich Ms. Marvel getauft hat. Dar-Benns Nutzung des Quantum Bands hat zur Folge, dass die lichtbasierten Kräfte von Kamala, Carol und Monica Rambeau (Teyonah Parris), der erwachsenen Tochter von Carols bester Freundin Maria (Lashana Lynch), miteinander verknüpft werden, sodass jedes Mal, wenn eine von ihnen sie einsetzt, sie unwillkürlich die Plätze tauschen. Das Trio muss lernen, mit dieser Komplikation umzugehen und sie zu einer Stärke zu machen, um Dar-Benn aufzuhalten, bevor sie unabsichtlich das gesamte Raum-Zeit-Kontinuum zerstört.

Kritik

"Höher, schneller, weiter." So lautet das Motto von Carol Danvers und prangt mit dem Zusatz „Gemeinsam“ auch auf dem Plakat ihres zweiten Nicht-mehr-Solo-Abenteuers The Marvels, das viereinhalb Jahre nach ihrem MCU-Einstand Captain Marvel in die Kinos kommt. Es könnte aber auch der Schlachtruf von Marvel Studios sein, denn wenn es der größten Blockbuster-Fabrik Hollywoods an etwas nicht mangelt, dann an großen Ambitionen. Mehr als zehn Jahre lang dominierte Disney mit Marvel das Mainstream-Kino und die weltweiten Kinocharts. Der Erfolg gipfelte 2019 nach 22 Filmen mit Avengers: Endgame, dem etwas gelungen war, woran Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers und die letzte Staffel von "Game of Thrones" im selben Jahr noch gescheitert sind: Ein mitreißendes Finale, das die meisten Fans begeisterte und kaum Wünsche offen ließ. Der Lohn dafür war der umsatzstärkste Film aller Zeiten (bis die Wiederaufführung von James Camerons Avatar in China ihn wieder von der Spitze gestoßen hat).

The Marvels (2023) Filmbild 1Natürlich gab es auch in den ersten drei Marvel-Phasen einige Höhen und Tiefen, letztere bewegten sich jedoch immer noch auf einem hohen Niveau. Doch als Marvel nach der Corona-Zwangspause zurückgekehrt ist, zeigte sich erste Risse in der perfekten Hülle. Eternals wurde zum ersten MCU-Film mit bestenfalls gemischten Kritiken. Ein Overkill an Marvel-Serien bei Disney+, die zu Pflichtaufgaben wurden, um weiter am Ball zu bleiben, machte das Marvel-Erlebnis für viele anstrengend und nach einer ziellosen Phase Vier fehlte der Durchblick, wo es eigentlich hingeht. Ant-Man and the Wasp: Quantumania sollte es richten, doch stattdessen wurde der heiß erwartete Auftakt zu Phase Fünf zu MCUs erstem richtigem Flop an den Kinokassen und in der Kritik. Auch die rechtlichen Probleme des Kang-Darstellers Jonathan Majors, den das Studio als neuen Oberbösewicht für die Multiverse Saga aufbauen wollte, bringen Marvel in eine Zwickmühle.

The Marvels (2023) Filmbild 2Mit Guardians of the Galaxy Vol. 3 feierte Marvel im Sommer wieder einen großen Erfolg, für das Gesamt-MCU ist er als ein in sich weitgehend abgeschlossener Film und Abschied von bisherigen Guardians nicht von so großer Bedeutung. Hingegen ist The Marvels eine wichtige Feuerprobe: Erstmals sollen in Marvel-Serien eingeführte Heldinnen als Hauptfiguren den Sprung auf die große Leinwand machen. Um sich abzusichern, bekommen Kamala Khan und Monica Rambeau natürlich Captain Marvel an ihre Seite, deren erster Film zu einem Milliardenhit wurde. Doch die Vorzeichen sind seit einigen Wochen alarmierend: Die Vorverkaufszahlen sind schwach und weit unter allen MCU-Filmen der letzten Jahre. Es hilft auch nicht, dass die Stars wegen des aktuellen Schauspielerstreiks für ihren Film nicht werben dürfen. Berichte von Konflikten am Set, mehrfache Startverschiebungen, die überraschend kurze Laufzeit und allgemein sinkendes Vertrauen in die einst sichere Marvel-Qualität lassen viele Zuschauer erst einmal zögern, bevor sie ihr Ticket holen.

The Marvels (2023) Filmbild 3Während es immer noch zu früh ist, um etwas zu den kommerziellen Aussichten des Films sagen zu können, ist die Skepsis hinsichtlich der Qualität des Films bedingt gerechtfertigt. The Marvels ist keine Vollkatastrophe, die einige befürchten (bzw. sich erhoffen), doch es ist einer der unbedeutendsten MCU-Filme. Natürlich wird nach 33 Filmen das Rad nicht neu erfunden und nicht jeder Streifen wird ein Feuerwerk an Originalität und Innovation sein, doch selten fühlte sich ein Film aus dem Marvel Cinematic Universe so redundant an wie The Marvels. Wieder einmal verfolgt eine Schurkin ein hehres Ziel ohne Rücksicht auf Verluste und Kollateralschäden und bedroht das gesamte Universum. Ja, das kennt man. Eine Bedrohung dieses Ausmaßes ist aber schwer ernst zu nehmen, wenn zugleich Kamalas Eltern in einer Szene Kree-Krieger mit Wischmopp bekämpfen. Der Grat zwischen lustig und lächerlich ist sehr schmal.

Das Konzept, dass die Heldinnen unfreiwillig Plätze tauschen, wenn sie ihre Kräfte einsetzen, ist zunächst interessant und sorgt für einige kreative Actionsequenzen, bis man merkt, dass es keinerlei interne Konsistenz gibt, wann das passiert und wann nicht. Natürlich erhebe ich nicht den Anspruch, dass diese Filme realistisch sind, sehr wohl aber, dass sie die Regeln befolgen, die sie selbst aufstellen. Stattdessen bleibt der Plätzetausch-Effekt arbiträr.

The Marvels (2023) Filmbild 4Zawe Ashton – im echten Leben übrigens die Partnerin von Loki-Darsteller Tom Hiddleston – ist sicherlich eine gute Schauspielerin, doch die abgedroschene Rolle tut ihr keinen Gefallen. Erstaunlich blass ist diesmal auch die ansonsten meist herausragende Oscarpreisträgerin Brie Larson. Im ersten Film noch voller Elan und Energie, wirkt sie trotz des dramatischen Potenzials ihrer Rolle durch die Schuld und die Verantwortung, die Carol auf sich geladen hat, geradezu lustlos und lethargisch. Ähnlich unauffällig bleibt auch Teyonah Parris als Monica. Spürbare Chemie zwischen den drei Hauptdarstellerinnen sucht man leider vergeblich. Vom Wow-Moment, wenn die drei endlich zusammen kämpfen, den Kevin Feige einst schwärmend mit der ersten gemeinsamen Aufstellung der Avengers in New York verglichen hat, ist auch keine Spur.

The Marvels (2023) Filmbild 5Der strahlende Lichtblick im Cast ist Iman Vellani, die dieselbe ansteckende liebenswerte Fangirl-Energie, mit der sie bereits in Ms. Marvel Herzen eroberte, auch auf die Leinwand verbreitet. Sie ist der eigentliche Star der Show und verdient einen besseren Film als The Marvels. Hoffentlich wird sie dennoch eine lange Zukunft im MCU haben.

Es ist nichts richtig schlecht an The Marvels, aber auch wenig so richtig gut. Ein kurioser Ausflug zu einem Planeten, dessen Einwohner offenbar in einer Bollywood-Welt leben und nur durch Gesang und Tanz kommunizieren, ist eine erfrischende Abwechslung aus der Monotonie, endet jedoch abrupt und ohne jegliches Nachspiel. Das süße Flerken Goose ist wieder einmal ein Highlight und sorgt mit einer Szene, die auf ein bestimmtes Musical (oder dessen groteske Verfilmung) anspielt, für den größten Lacher des Films.

The Marvels (2023) Filmbild 6Wer mit niedrigen Erwartungen reingeht und von einem Marvel-Film nicht mehr als ein paar Gags und nette Action erwartet, wird genau das bekommen. Die Effekte sind immerhin deutlich polierter und runder als beim dritten Ant-Man-Film und die ungewöhnlich kurze Laufzeit (der Abspann beginnt nach 95 Minuten!) sorgt für ein angenehm flottes Tempo ohne jegliche Hänger. Es ist aber kein Film, der lange in Erinnerung bleiben wird. Für Gesprächsstoff und Vorfreude werden sicherlich die allerletzte Szene und die (einzige) Abspannszene sorgen, die für die Haupthandlung des Films jedoch unerheblich sind.

Fazit

Das Experiment, die Kino- und Serienwelten des MCU miteinander zu verbinden, ist nur zum Teil gelungen. Mit der gleichen ansteckenden Fangirl-Energie wie in ihrer eigenen Disney+-Serie stiehlt Iman Vellani als Kamala Khan in The Marvels ihren beiden älteren Co-Stars die Show, während die sonst herausragende Brie Larson trotz des dramatischen Potenzials ihrer Rolle über weite Strecken steif und desinteressiert wirkt. Ansonsten erwartet die Fans kurzweilige (und erfrischend kurze) Unterhaltung nach Schema F, die sich anfühlt, als sei man mittendrin in eine überlange Folge einer schon lange laufenden und etwas redundanten Fernsehserie eingestiegen. Es ist bezeichnend, dass die beiden Szenen, über die in nächster Zeit vermutlich am meisten geredet werden wird, kaum etwas mit der Haupthandlung zu tun haben.

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Der Exorzist: Bekenntnis (2023) Kritik

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Der Exorzist Bekenntnis (2023) Filmkritik

The Exorcist: Believer, USA 2023 • 121 Min • Regie: David Gordon Green • Drehbuch: Peter Sattler, David Gordon Green • Mit: Leslie Odom Jr., Lidya Jewett, Olivia Marcum, Ann Dowd, Jennifer Nettles, Norbert Leo Butz, Ellen Burstyn • Kamera: Michael Simmonds • Musik: David Wingo, Amman Abbasi • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 05.10.2023 • Deutsche Website

Als 2018 David Gordon Greens Legacy Sequel zu John Carpenters Grusel-Meisterwerk „Halloween“ auf dem Release-Plan stand, war man zumindest noch gespannt auf die Back-to-the-Roots-Vision, die uns der „Ananas Express“-Regisseur auftischen wollte. Zwei Sequels nach dem bereits nicht geglückten Auftakt, blickt man nun deutlich ernüchtert auf eine Pseudo-Trilogie zurück, die sich trotz eines interessanten Ansatzes (in „Halloween Kills“) letztlich nicht von den schwachen Einzel-Vertretern der Reihe abhob.

Der Exorzist Bekenntnis (2023) Filmbild 1

Da sich die genannten Werke unterm Strich dennoch als sehr profitabel herausgestellt haben und Geld bekanntlich die Welt regiert, haben Green und sein Kreativpartner Danny McBride unmittelbar das Angebot bekommen, das Publikum mit der Rückkalibrierung eines weiteren Horror-Meilensteins zu beglücken: Mit „Der Exorzist: Bekenntnis“ nehmen sich die beiden den ultimativen Klassiker des in diesem Jahr verstorbenen Oscar-Preisträgers William Friedkin zur Brust. Was der streitbare Friedkin zu dem Resultat gesagt hätte, lässt sich jetzt nur noch mutmaßen. Glücklich wäre er mit Greens Hokuspokus-Gottesdienst ganz sicher nicht gewesen. Dabei steigt der Film eigentlich unerwartet packend, gestalterisch solide und schauspielerisch ambitioniert in seine Story ein.

Diese entführt die Zuschauer nach einem auditiven Schock-Start zunächst nach Haiti, wo sich der Fotograf Victor (Leslie Odom Jr.) mit seiner hochschwangeren Frau aufhält. Ein verheerendes Erdbeben stellt ihn urplötzlich vor die bittere Entscheidung, ob er seine schwerverletzte Frau oder seine noch ungeborene Tochter retten will. Er entscheidet sich für das Kind, was uns dann in eine Kleinstadt im US-Bundesstaat Georgia dreizehn Jahre später leitet. Auch dorthin soll den Protagonisten das Unglück – oder womöglich eine dämonische Macht – verfolgen, denn eines Tages verschwindet sein inzwischen im Teenager-Alter angekommener Nachwuchs Angela (Lidya Jewett) zusammen mit der Klassenkameradin Katherine (Olivia Marcum) in den Wäldern.

Der Exorzist Bekenntnis (2023) Filmbild 2

Erst drei Tage später werden die Mädchen mit Amnesie und Verbrennungen aufgefunden. Außerdem scheint etwas Unerklärliches von den beiden Besitz ergriffen zu haben, das sie zu abscheulichen Taten zwingt und nicht durch medizinische Eingriffe zu behandeln ist. Zusammen mit Katherines streng religiösen Eltern (Jennifer Nettles, Norbert Leo Butz) und einigen übereifrigen Nachbarn sieht sich der Atheist Victor plötzlich ungewöhnliche Hilfe bei der Bestsellerautorin Chris MacNeil (Ellen Burstyn) suchen, die eine verdächtig ähnliche Geschichte mit ihrer Tochter Regan durchlebt hat und diese erst durch einen Exorzismus retten konnte …

„Der Exorzist: Bekenntnis“ ist ein Film, der – soweit man den übermächtigen Schatten des Originals ausblenden kann – in der ersten Hälfte wie eine zwar nicht wirklich eigenständige aber brauchbare Mixtur moderner Ableger von Friedkins Werk funktioniert. Am ehesten erinnert die Arbeit mit ihrem anfangs ruhigen Aufbau und Fokus auf Drama- und Mystery-Elemente (abgesehen von einer recht nervigen Jump-Scare-Frequenz) vielleicht an Scott Derricksons „Der Exorzismus von Emily Rose“ von 2005. Spätestens wenn dann allerdings der schrille Dämonen-Terror einsetzt und Ellen Burstyn in einem lächerlichen Redeschwall von dem Bösen schwadroniert und für die große Zusammenkunft der guten Menschen trommelt, entgleist Greens eigentlich stimmig komponiertes Schauderstück unnötig und rast mit voller Wucht gegen die Wand.

Der Exorzist Bekenntnis (2023) Filmbild 3

Wie schon in seinen „Halloween“-Filmen, möchte der Regisseur und Co-Autor hier von der Gemeinschaft erzählen, die vielleicht nicht immer harmonisch gelingt („Halloween Kills“), aber zum Triumph über den Schrecken doch noch feierlich zusammenfindet („Halloween Ends“). Während das in den angeführten Arbeiten allerdings lediglich dösig-naiv angemutet hat, enthält „Der Exorzist: Bekenntnis“ eine unangehme und aufdringliche pro-religiöse bis gar pro-kirchliche Note. Die Mittel der Wissenschaft werden – im Gegensatz zur Friedkins Werk – peinlich kurz abgefrühstückt, ganz so als ob nur der Weg zurück ins Mittelalter und zu Praktiken weit davor die Lösung bietet. Nach M. Night Shyamalans zugegeben weit schlimmerem „Knock at the Cabin“ ist „Der Exorzist: Bekenntnis“ nun schon das zweite Stück religiösen Schwurbel-Kinos von 2023, und nimmt man noch Julius Averys sympathisch trashigen, aber auch bedenklich unkritischen „The Pope’s Exorcist“ dazu, lässt sich vielleicht eine ungute Tendenz erkennen.

Sehr viel mehr Interessantes lässt sich über dieses zitatreiche (das Unheil startet hier in Haiti anstelle von Irak und die unangenehme Angiographie-Szene aus dem Ursprungsfilm wird durch eine gynäkologische Untersuchung der Mädchen ersetzt), aber abermals gänzlich überflüssige Requel kaum sagen. Ein trauriger Blick streift den Cast (allen voran Leslie Odom Jr. sowie Lidya Jewett und Olivia Marcum), dem man in Anbetracht der Leistungen einen besseren Film auch nach der Halbzeit gegönnt hätte. Abgesehen davon gibt es ab einem gewissen Punkt dann nur noch den erwartbaren und reichlich öden Budenzauber aus dämonischen Fratzen, blutigen Botschaften auf der Haut, Kotze (diesmal wird offenbar gar ins Weltall gegöbelt) und beschwörerischem Getummel (Ann Dowd sorgt für einen femininen Twist). Für Fans gibt es odendrauf Mike Oldfields „Tubular Bells“ und womöglich Linda Blair.

Der Exorzist Bekenntnis (2023) Filmbild 4

Irgendwie soll „Der Exorzist: Bekenntnis“ dann auf bedrückende Weise enden und zu den bereits angekündigen Sequels leiten. Mich hat das alles leider nicht mehr erreicht und ehrlich gesagt lobe ich mir da eher John Boormans trippigen „Exorzist II – Der Ketzer“. Da gab’s zumindest James Earl Jones im Heuschrecken-Kostüm zu bewundern.


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Cobweb (2023) Kritik

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Cobweb (2023) Kritik

Cobweb, USA 2023 • 88 Min • Regie: Samuel Bodin • Drehbuch: Chris Thomas Devlin • Mit: Lizzy Caplan, Woody Norman, Antony Starr, Cleopatra Coleman, Luke Busey • Kamera: Philip Lozano • Musik: Drum & Lace • FSK: n.n.b. • Verleih: n.n.b. • Kinostart: n.n.b. • Website

Samuel Bodins „Cobweb“ präsentiert sich schon zu Beginn als sehr klassischer Kleinstadthorror in der Tradition eines Stephen King. Da ist der schüchterne Außenseiter Peter (Woody Norman), der von seinen Mitschülern übel drangsaliert wird und seine Pause lieber im Klassenzimmer mit der verständnisvollen Vertretungslehrerin Miss Devine (Cleopatra Coleman) als auf dem Schulhof verbringt. Da ist ein beunruhigender Vorfall in der Orts-Vergangenheit und ein finsteres Geheimnis, das der kleine Protagonist herausfinden muss. Vor allem sind da aber Peters auffällige Eltern Carol (Lizzy Caplan) und Mark (Antony Starr), die sich ihrem Sohn gegenüber seltsam distanziert verhalten und ihm eigentlich ganz normale Freuden verwehren.

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Bodin, der zuvor die französische Gruselserie „Marianne“ für Netflix inszeniert hat und deren Erfolg sein Ticket in die Traumfabrik verdankt, bietet in seinem Spielfilmdebüt inhaltlich ganz gewiss nichts bahnbrechend Neues. Das Drehbuch von Chris Thomas Devlin (Netflix' Legacy-Sequel „Texas Chainsaw Massacre“) verrührt Elemente aus Kings Romanen „Carrie“ und „Shining“ mit offensichtlichen Bausteinen aus Wes Cravens „Das Haus der Vergessenen“, Henry Selicks „Coraline“ und sogar William Friedkins „Der Exorzist“.

Die große Stärke von „Cobweb“ liegt jedoch darin, diese allzu bekannten Zutaten atmosphärisch dicht aufzubereiten. Hervorzuheben ist hier die unheilvolle Kameraarbeit von Philip Lozano, die auf Dunkelheit und überwiegend gedeckte Farben setzt. Als ebenfalls sehr effektiv erweist sich die wohlüberlegte Beleuchtung – etwa die spärlichen Strahlen, die durch Peters achteckiges Kinderzimmerfenster dringen und den Fokus exakt auf den Platz legen, an welchem das Kind nachts eine mysteriöse Stimme vernimmt.

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Diese Stimme ist es, die die Ereignisse in „Cobweb“ schließlich in Gang setzt. Zuvor bekommen wir durch die gedrückte Stimmung und das Verhalten schon ein gutes Gefühl dafür, dass mit Peters Erzeugern etwas nicht mit rechten Dingen zugehen muss und diese womöglich nicht bloß etwas vor ihm verbergen, sondern buchstäblich Leichen im Keller haben. Wie schon bei Mason Thames in Scott Derricksons Hit „The Black Phone“, bekommt auch Woody Normans (aktuell in „Die letzte Fahrt der Demeter“ zu sehen) Peter von einem scheinbar übernatürlichen Phänomen Tipps, wie er sich aus der bedrohlichen Situation retten kann.

Dass seine Eltern in Wahrheit böse seien, muss der Junge so erfahren. Und diese Information deckt sich mit dem, was wir durch seine Augen zuvor erlebt haben. Nach einem Vorfall in der Schule bekommt Peter etwa nicht gewöhnlichen Stubenarrest aufgebrummt, sondern wird im Keller, dessen Tür von dem Kühlschrank versperrt ist, an Ketten gelegt. Da täuscht dann auch das Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip von Carol und Mark mit anschließenden liebevollen Gesten nicht mehr über die insgesamte Beklemmung hinweg.

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Als menschlicher Schutzengel schreckt Cleopatra Colemans („Infinity Pool“) Miss Devine nicht davor zurück, sich trotz Verbot und Drohung der Eltern weiter um Peters Wohlergehen zu sorgen. Selbst wenn diese Figur etwas unterentwickelt bleibt, ist sie dennoch als externer Blick auf die Geschehnisse im quasi Spukhaus wichtig. Sie ist auch der einzige Anker, den der junge Protagonist in der Außenwelt hat und der ihn im Notfall aus den Händen des Grauens befreien könnte.

Auch wenn sich das Geheimnis in „Cobweb“ für Genre-Kenner als letztlich nicht allzu große Überraschung herausstellen sollte, können neben Woody Norman besonders Lizzy Caplan (zuletzt in der Serie „Eine verhängnisvolle Affäre“ auf Paramount+) und Antony Starr („The Boys“) als beunruhigendes und zunehmend beängstigendes Elternpaar überzeugen. Während man als Zuschauer beschäftigt ist, alle Hinweise für die Auflösung zu bedenken (etwa: Wie war das mit dem verschwundenen Kind in der Nachbarschaft?), liefern die beiden exzellent undurchsichtige Performances mit gelegentlich dämonischem Touch ab. Weshalb benehmen sie sich Peter gegenüber so und was haben sie mit ihm im Sinn? Obwohl einige die zugedeckten Karten längst durchschaut haben, gelingt es Caplan und Starr, das Unbehagen bis zum Ende aufrecht zu halten. Wenn die Kamera schließlich länger auf die Finsternis hinter einer geöffneten Tür hält, greift man auch als Horror-Veteran aufgrund der Intensität dieser Szene in die Kinosessellehne.

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Eine kleine Warnung vorab an Teile des Publikums: Was der Titel „Cobweb“ ja bereits andeutet, ist Programm und man bekommt so einige Achtbeiner in Großaufnahme vor Augen geführt. Dabei handelt es sich um gewöhnliche Hausspinnen und nicht die größeren Kaliber. Doch wer das Thema rund um Arachniden so gar nicht verträgt, sollte dann doch darauf gefasst sein, ab und zu die Hände vors Gesicht halten zu müssen. Ohne jetzt weiter in Spoilerterritorium zu gelangen, aber dieser Film ist im wahrsten Sinne creepy und belohnt nach seinem langsamen Aufbau mit einem reichlich wilden und dezent blutigen Finale.

Bodins Arbeit mag mit ihrer unterm Strich ziemlich generischen Story keine absolut dringende Empfehlung für Horrorfans darstellen. Doch in Anbetracht der versierten Umsetzung, dem Gespür für Atmosphäre und der guten Leistungen des Haupt-Casts, ist das sympathisch knackige Werk absolut keine schlechte Wahl für die anstehende Spooky Season. An den US-Kinokassen ist „Cobweb“ unverständlicherweise schlimm gefloppt. Vielleicht hätte man dort eine Geschichte, die so augenfällig auf die Halloween-Zeit abzielt, nicht im Sommer in die Lichtspielhäuser schicken sollen.

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„Cobweb“ ist ein perfekt geeigneter Gruselstoff für den 31. Oktober, nachdem man mit den jüngeren Geschwistern oder Kindern mit dem Süßes-oder-Saures-Gang durch die Nachbarschaft fertig ist. Vielleicht als Double Feature mit Alexandre Bustillos und Julien Maurys unterschätztem Vampir-Märchen „Livid“.


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Die letzte Fahrt der Demeter (2023) Kritik

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Die letzte Fahrt der Demeter (2023) Filmkritik

The Last Voyage of the Demeter, USA 2023 • 119 Min • Regie: André Øvredal • Drehbuch: Bragi Schut Jr., Zak Olkewicz • Mit: Corey Hawkins, Aisling Franciosi, Liam Cunningham, David Dastmalchian, Woody Norman, Javier Botet • Kamera: Roman Osin, Tom Stern • Musik: Bear McCreary • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 17.08.2023 • Deutsche Website

Blutdurst auf hoher See: Der Horrorfilm „Die letzte Fahrt der Demeter“ nimmt sich das Kapitel „Logbuch des Kapitäns“ aus Bram Stokers berühmtem Klassiker „Dracula“ vor. Was jedoch vorab in Making-ofs vollmundig als „Alien“-auf-einem-Schiff-Schocker angepriesen worden ist, entpuppt sich leider rasch als müder Sturm im Wasserglas.

Die letzte Fahrt der Demeter (2023) Filmbild 1

Das Projekt, welches rund zwanzig Jahre durch die Traumfabrik gegeistert und zwischendurch an Genre-Hoffnungen wie Robert Schwentke („Tattoo“), Marcus Nispel (das Remake von „Texas Chainsaw Massacre“), Stefan Ruzowitzky („Anatomie“), David Slade („30 Days of Night“) oder Neil Marshall („The Descent“) herangetragen worden ist, landete schließlich bei dem Norweger André Øvredal. Dieser hatte zuerst mit der spaßigen Dark-Fantasy-Mockumentary „Trollhunter“ auf sich aufmerksam gemacht, mit der US-Produktion „The Autopsy of Jane Doe“ einen der gruseligsten Filme der letzten Dekade erschaffen und mit der Alvin-Schwartz-Adaption „Scary Stories to Tell in the Dark“ ein Händchen für jugendfreie Mainstream-Gänsehaut bewiesen. Und das kurz vorweg: An Øvredals Regie liegt es nicht, dass einem von der knapp zweistündigen Laufzeit kaum mehr als ein schmerzender Po in Erinnerung bleibt.

In Zusammenarbeit mit Clint Eastwoods oscarnominiertem Stammkameramann Tom Stern („Der fremde Sohn“) sowie DP Roman Osin gelingen dem Regisseur zwar insgesamt schicke bis düstere Aufnahmen, das ganz große Problem ist allerdings, dass dieses so bestimmt auf dem Pfad von Ridley Scotts Weltall-Grauen wandelnde Werk es einerseits versäumt, seinen Antagonisten (laut Credits von Horror-Performer Javier Botet verkörpert, aber unter all dem CGI kaum von einem x-beliebigen Videospiel-Ghul zu unterscheiden) als wirklich bedrohliche Präsenz einzuführen und – noch viel ärgerlicher – die Demeter so gar keinen Wiedererkennungswert besitzt. Und das bei einem Schiff, das in der Horrorliteratur legendär ist und dessen Name sogar im Titel geführt wird.

Die letzte Fahrt der Demeter (2023) Filmbild 2

Kehren wir doch nochmal zu „Alien“ zurück – einfach weil es die Verantwortlichen doch selbst unbedingt so wollen. Was hat diesen Film einst so besonders gemacht und ihn über die Jahrzehnte nur noch bei Genre-Enthusiasten weiter wachsen lassen? Sicher, da war die zunächst nur angedeutete Albtraum-Kreatur, die völlig unberechenbar die Crew dezimiert hat. Da war auch ein motivierter Cast, der zugegebenermaßen auch in Øvredals Arbeit alles gibt, aber hier mehr gegen eindimensionale Figuren als gegen den Blutsauger selbst kämpfen muss. Vor allem war da aber dieser totenstille, dunkle Ort mit seinen verwinkelten Gängen, in dem alles und nichts zu jedem Zeitpunkt passieren konnte. Im Fall der Demeter bekommt man im Gegensatz ein überschaubares Deck, zwei bis drei Quartiere und einen Gang geboten. Sicher huscht auch hier der Graf in den Ecken herum und sorgt für sporadische Jump Scares. Wahre Kino-Angst geht allerdings ganz anders und ein richtiger Spannungsborgen will sich erst recht nicht ausbilden. So verkommt diese Schreckensodyssee zur öden Horror-Butterfahrt.

„Die letzte Fahrt der Demeter“ ist unterm Strich klischeegetränkter Stoff aus der Schock-Mottenkiste. 08/15-Ware at best. Ein Film, den man als mittelmäßige Amazon– oder Netflix-Produktion anmachen würde, beim Kochen nebenher weiterlaufen lässt und beim Abspann schon wieder vergessen hat. Den Preis einer Kinokarte rechtfertigt er definitiv nicht.

Die letzte Fahrt der Demeter (2023) Filmbild 3

Ach ja, die Story. Zunächst grob das, was wir von der Stoker-Story ja längst kennen: Die Demeter war ein Handelsschiff, das sich im Jahr 1897 von Transsilvanien aus auf den Weg nach England gemacht hat. An Bord geschmuggelt befand sich auch der untote Graf Dracula, der an der Crew seinen Blutdurst stillte und die Demeter als Geisterschiff am Zielhafen einlaufen ließ. Von den mysteriösen Ereignissen erzählten im Roman lediglich die Logbucheinträge des Kapitäns Elliot, der im Film solide von Liam Cunningham gespielt wird.

Bei der Anwerbung um neue Crew-Mitglieder – die meisten Einheimischen flüchten wohlwissend um Draculas Präsenz aus dem Hafen – landet auch der schwarze Arzt Clemens (Corey Hawkins) auf der Demeter. Dieser macht sich außer bei Elliot und dessen jungem Sohn (Woody Norman) rasch unbeliebt bei der restlichen Besatzung (u.a. David Dastmalchian als erster Maat Wojchek), die nur pünktlich am Ziel ankommen und einen Bonus einfahren möchte. Doch die Entdeckung der verletzten und an einer seltsamen Blutinfektion leidenden Anna (Aisling Franciosi) im Frachtraum lässt eine Reihe beunruhigender Ereignisse folgen. Denn wie wir ja längst wissen: Anna ist nicht der einzige blinde Passagier auf der Demeter …

Die letzte Fahrt der Demeter (2023) Filmbild 4

Wie schon zuvor angeführt: Dem Schauspielkern von „Die letzte Fahrt der Demeter“ lässt sich kein großer Vorwurf machen. Es sind deren flache Figuren aus der Feder der Autoren Bragi Schut Jr. und Zak Olkewicz, die keinen Raum für wenigstens eine bemerkenswerte Leistung lassen. Sicher, Corey Hawkins („Straight Outta Compton“) ist fein als idealistischer und von Rassismus schwer getroffener Arzt, der eigentlich nur verstehen möchte, was die Welt im Inneren zusammenhält, doch auf seinem Abenteuer vom Dr. Faust zum Dr. van Helsing wechseln muss. Neben ihm besitzt Aisling Franciosi („The Nightingale“) als von Dracula, ja, körperlich missbrauchte Anna die meiste Strahlkraft in der Besetzungsriege und zumindest bei den Leidensgeschichten dieser zwei Figuren lässt sich ein kleiner Subtext herauslesen, der aber längst nicht über die deutlich überwiegenden Mängel des Films hinweghelfen kann.

In einem Jahr voller sehr gelungener Horrorproduktionen, in welchem sogar Grütze der Marke „The Pope’s Exorcist“ noch niederschwellig Freude bereitet hat, musste ja früher oder später noch eine herbe Genre-Enttäuschung kommen. Dass es ausgerechnet das neue Werk des eigentlich sehr fähigen André Øvredal sein musste, ist schade. Vermutlich ist ihm ein deutlich effektiverer Grusel bei der Planung im Kopf herumgespukt. Vielleicht hat die Intervention von Produzenten das Projekt erst zu einem spannungsarmen, vor sich rumdümpelnden Brei verkommen lassen. Vielleicht hätte der Regisseur auch einfach einen großen Bogen um das Drehbuch machen sollen. Wir wissen es nicht.

Wir haben aktuell nur das Resultat. Und dieses ist schlicht nicht geglückt.


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Oppenheimer (2023) Kritik

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Oppenheimer (2023) Filmkritik

Oppenheimer, USA/GB 2023 • 180 Min • Regie & Drehbuch: Christopher Nolan • Mit: Cillian Murphy, Emily Blunt, Matt Damon, Robert Downey Jr., Florence Pugh, Josh Hartnett, Casey Affleck, Rami Malek, Kenneth Branagh • Kamera: Hoyte van Hoytema • Musik: Ludwig Göransson • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 20.07.2023 • Deutsche Website

Als Christopher Nolan mit der Planung seines neuen Spielfilms „Oppenheimer“ begann, konnte er noch nicht ahnen, dass sein Biopic-Thriller über den gleichnamigen „Vater der Atombombe“ zu den thematisch brisantesten Werken des Kinojahres 2023 zählen würde. Denn anders als es der hier von Cillian Murphy („28 Days Later“) eindringlich verkörperte Physiker vermutet hat, sollte die Einführung dieser verheerenden Waffe mit dem damit verbundenen Wettrüsten der Weltmächte letztlich nicht das Ende aller Kriege bedeuten. Als der russische Präsident Wladimir Putin am 24. Februar 2022 den grausamen Angriff auf die Ukraine befahl, wurde plötzlich das bittere Realität, was sich die meisten Menschen damals wohl nicht einmal als schlimmsten Albtraum ausmalen konnten: Ein erneuter blutiger Krieg mitten in Europa.

Oppenheimer (2023) Filmbild 7

Anders als NATO-Mitglieder, wie etwa Deutschland, genießt die nuklear abgerüstete Ukraine nicht den Schutz eines mächtigen Bündnisses, weshalb der Überfall dann auch ohne unmittelbare Einmischung eines Drittlandes stattfinden konnte. Waffen wurden vor allem vom Westen geliefert mit der vehementen Bitte um noch mehr und noch weitreichendere Formate. Doch hier kommt nun J. Robert Oppenheimer und seine Atombombe ins Spiel, die heute doch eigentlich nur noch die Rolle einer Abschreckungswaffe erfüllen sollte: Wenn der Westen sich nun doch in den Augen Russlands zu stark mit Kriegsmaterial hervorwagt, ab wann wird er als echte Kriegspartei wahrgenommen und könnte daraus womöglich gar der reale Einsatz einer Nuklearwaffe gegen einen der Bündnispartner resultieren? Allein der Gedanke daran ist erschreckend. Oder wie Matt Damon als Leslie Groves, Direktor des geheimen Manhattan-Projekts, auf Oppenheimers Berechnung – es bestünde eine Chance von etwas über null Prozent, dass die Zündung der Bombe die gesamte Welt auslöschen könnte – erwidert: „Null Prozent wären akzeptabel.“

Oppenheimer (2023) Filmbild 6

Nolans Adaption der Biografie „American Prometheus“ von Kai Bird und Martin J. Sherwin beginnt relativ konventionell mit dem kometenhaften Aufstieg des Studenten Oppenheimer, erzählt von dessen kommunistischer Neigung, seinen Beziehungen zu anderen Forschern und schließlich, wie er die Quantenphysik in die USA brachte. Mit etwas Romantik und Sex erinnert dieser Start an Ron Howards Oscargewinner „A Beautiful Mind“, wenn es dann auch noch Komponist Ludwig Göransson manchmal zu gut mit der Untermalung von Emotionen meint. Doch der britische Starregisseur und Drehbuchautor zieht nach der vielleicht zu lang geratenen Vorstellung der wesentlichen Beteiligten glücklicherweise die (Polit-)Thrillerschraube an und spätestens wenn es an die Vorbereitung und letztlich Durchführung des berühmten Trinity-Tests – der ersten Kernwaffenexplosion – in der Wüste New Mexicos geht, befinden sich der von praktischen Effekten besessene Nolan und sein IMAX-erprobter Kameramann Hoyte van Hoytema in ihrem Element. Selten wurde eine zerstörerische Kraft von so hypnotischer Schönheit auf Film gebannt, um dann mit tosendem Lärm das Publikum aus den Sitzen zu fegen.

Oppenheimer (2023) Filmbild 5

Ganz sicher ist der Trinity-Test das spektakuläre Herzstück von „Oppenheimer“, zumal der Film abgesehen von dieser Szene auf weiteren Bombast – für Nolans neueres Kino sehr ungewöhnlich – gänzlich verzichtet und sich voll seinem Cast hingibt. So wird etwa auch die Zerstörung Hiroshimas durch die US-Bombe zwar thematisiert, doch wird auf explizite Bilder des Schreckens verzichtet, damit sich dieser nur im Gesicht des grandiosen Cillian Murphy manifestieren kann. Neben Oppenheimer stellt der von Robert Downey Jr. gespielte Politiker Lewis Strauss eine Schlüsselfigur in der Geschichte dar, deren in monochromen Aufnahmen (ein Novum im IMAX-Format) eingefangener Blickwinkel intermittierend mit dem des Wissenschaftlers verläuft.

Oppenheimer (2023) Filmbild 4

Dass Oppenheimer nicht als glänzender Held missverstanden werden soll, macht bereits eine knappe Zusammenfassung der Prometheus-Mythologie ganz am Anfang deutlich: Wie der griechische Titan dem Menschen das Feuer brachte und zur Strafe an einen Felsen gekettet wurde, soll auch J. Robert Oppenheimer für die Kreation und Weitergabe seiner fürchterlichen Waffe büßen – in doppelter Hinsicht. Vor allem hat er sich in seiner Einschätzung getäuscht, dass diese eine Lösung und nicht etwa ein neues Problem in die Welt bringen würde. Seine innere Zerrissenheit und die damit einhergehenden Horrorvisionen sind wie die Vögel, die täglich Prometheus' Leber zerpflücken. Doch auch in wissenschaftlicher Tätigkeit soll Oppenheimer in einer von Strauss initiierten, berüchtigten Anhörung die Beraterrolle in der US-Atomenergie-Kommission und damit die Möglichkeit, weitere Katastrophen wie die Wasserstoffbombe zu verhindern, entzogen werden. Als Argument gegen Oppenheimer wird vor allem seine Verbindung zu kommunistischen Kreisen herangezogen – der neue US-Gegner nach Nazi-Deutschland.

Oppenheimer (2023) Filmbild 3

Um Macht und nichts anderes geht es schließlich in Nolans packender Aufbereitung einer alten Geschichte, die aber offensichtlich nie an Aktualität verloren hat und in der über die Jahrzehnte lediglich die Feindbilder gewechselt haben. Betrachtet man es ganz nüchtern, reicht der Knopfdruck eines irren Kriegsherren, um die ganze Menschheit auszulöschen. Deshalb wird die Welt nach der Erfindung der Atombombe nie wieder sein wie die zuvor. Die Guten scheinen nur gesiegt zu haben, denn so satirisch überzeichnet hat man US-Flaggen lange nicht mehr in einer großen Hollywood-Produktion gesehen. Zusammen mit Gary Oldmans derart diabolisch verkörpertem Präsidenten Harry S. Truman, dem nur Hörner und Schwanz für den wahrhaftigen Beelzebub fehlen.

Oppenheimer (2023) Filmbild 2

„Oppenheimer“ ist ein Film, der satt macht und mit seinen drei Stunden Laufzeit vermutlich auch etwas übersättigt. Das erste Drittel kommt etwas träge als Leinwand-Geschichtsstunde daher, nach welchem Nolan seinen Groove aber mit diesem für seine Verhältnisse ungewöhnlichen Stoff findet und mit einem sehr pointierten Ende abschließt. Eindeutig zu satt geraten ist übrigens noch der bis in kleinste Nebenrollen mit A-Namen besetzte Cast: Cillian Murphy sticht in jeder Szene heraus und wird mit seiner Performance ein starker Oscar-Anwärter sein. Auch Robert Downey Jr. wird als quasi Bösewicht hängenbleiben, so wie Matt Damon als etwas offensichtlicher Mahner für das Publikum und die beiden weiblichen Begleiterinnen Oppenheimers in Gestalt von Emily Blunt als Katherine Oppenheimer und Florence Pugh (die Nolan hier mit ihren Nacktszenen das erste R-Rating seit „Insomnia“ eingebracht hat) als Jean Tatlock. Doch während man Stars wie Kenneth Branagh („Tenet“), Rami Malek („Bohemian Rhapsody“) oder Casey Affleck („A Ghost Story“) noch irgendwie wahrnimmt, tummeln sich viele Gesichter wie David Dastmalchian („The Boogeyman“), Jack Quaid („The Boys“) oder Alex Wolff („Hereditary“) irgendwo im Hintergrund. Und die Liste der Nichtgenannten ist nochmal mehr als doppelt so lang.

Oppenheimer (2023) Filmbild 1

Im Vergleich mit Christopher Nolans vorherigen Arbeiten will „Oppenheimer“ etwas zu viel mit seiner Mischung aus Charakterstudie und Historienthriller und schweift gelegentlich zu weit aus oder wiederholt sich. Es ist ein guter Nolan, aber sicher nicht das beste Werk des visionären Regisseurs, der hier immer dann Stärke zeigt, wenn er auf den Punkt kommt und Ballast beiseite lässt.

Im Kern ist das Dilemma in „Oppenheimer“ so simpel wie niederschmetternd: Prometheus brachte dem Menschen das Feuer. Doch wie wird der Mensch das Feuer wieder los?


Trailer

Barbie (2023) Kritik

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Barbie (2023) Filmkritik

Barbie, USA 2023 • 114 Min • Regie: Greta Gerwig • Mit: Margot Robbie, Ryan Gosling, America Ferrera, Will Ferrell, Ariana Greenblatt, Simu Liu, Kate McKinnon, Alexandra Shipp, Kingsley Ben-Adir, Issa Rae, Emma Mackey, Nicola Coughlan, Michael Cera, Dua Lipa, John Cena • FSK: ab 6 Jahren • Kinostart: 20.07.2023 • Deutsche Website

Handlung

Barbie (Margot Robbie) führt das perfekte Leben in Barbieland. Das Wetter ist jeden Tag perfekt, ebenso wie die Frühstückswaffeln und die Wassertemperatur in der Dusche. Die Füße stehen immer auf Zehenspitzen, ins Auto schwebt man einfach vom Balkon des Hauses sanft herunter und jeder Abend ist Mädelsabend mit Barbie-Freundinnen (u. a. Alexandra Shipp, Hari Nef, Issa Rae und Emma Mackey). Etwas weniger aufregend ist der Alltag von Ken (Ryan Gosling), dessen einziger Lebenssinn darin besteht, mit anderen Kens (u. a. Simu Liu, Kingsley Ben-Adir und Ncuti Gatwa) um Barbies Aufmerksamkeit zu buhlen. Doch die heile Welt bekommt Risse, als Barbie wiederholt von aufdringlichen Gedanken an den Tod heimgesucht wird. Das Wasser in der Dusche ist plötzlich kalt, die Frühstückswaffeln sind verbrannt und das Schlimmste ist: sie bekommt Plattfüße und Cellulite! Um zu ihrem unbeschwerten Dasein zurückzukehren, sucht sie die als Außenseiterin lebende "komische Barbie" (Kate McKinnon) auf, die sie darüber aufklärt, dass die Lösung für ihr Problem in der realen Welt liegt. Sie muss das Mädchen finden, das mit ihrer Barbie spielt und dessen traurige Gedanken und Gefühle sich auf sie übertragen haben. Ken überzeugt Barbie, sie mitzunehmen und gemeinsam machen sie sich in die reale Welt auf, in der beide erstaunliche Erkenntnisse über die Machtstrukturen und Geschlechterrollen machen, die nicht nur sie nachhaltig verändern, sondern auch ganz Barbieland.

Kritik

Es ist bezeichnend, dass zwei der voraussichtlich kommerziell erfolgreichsten Filme dieses Jahr auf Figuren basieren, die mehrere Generationen von Kindern geprägt haben und zuvor nie bzw. nie angemessen fürs Kino umgesetzt wurden. Doch damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten von Super Mario Bros. und Barbie, denn während der Animationsfilm aus der Schmiede der Minions-Schöpfer in jeglicher Hinsicht auf Nummer sicher ging, um den Fans zu gefallen, und entsprechend von der ersten bis zur letzten Minute durchkalkuliert und formelhaft war, um Kinder und Nostalgiker abzuholen, wagt der Barbie-Film, über Mattels Kultpuppe hinaus auf ihren ambivalenten Einfluss auf die Gesellschaft und stereotype Frauen- und Männerrollen zu schauen. Ihm gelingt die bewundernswerte Balance zwischen der Anerkennung der Kritik an den unrealistischen Idealen und dem naiven Weltbild, das die Barbie-Puppe vermittelt, und der Huldigung ihres Vermächtnisses, ihrer Geschichte und ihres Beitrags zur Entwicklung und Entfaltung von Millionen Mädchen.

Barbie Film Bild 1Obwohl die Barbie-Puppe 1959 erstmals auf den Markt kam und ihre Beliebtheit nie merklich nachgelassen hat, hat Mattel erst 2001 angefangen, animierte Barbie-Filme direkt fürs Heimkino zu produzieren. Das Potenzial einer Realverfilmung erkannte der Spielwarenhersteller bereits 2009, es vergingen jedoch mehr als zehn Jahre, bis jemand den richtigen Ansatz gefunden hat. In der Zeit durchlief der Barbie-Realfilm mehrere Studios (Universal, Sony), Regisseurinnen (Alethea Jones, Patty Jenkins), Autorinnen (Lindsey Beer, Jenny Bicks, Olivia Milch, Diablo Cody) und Hauptdarstellerinnen (Anne Hathaway, Amy Schumer), bis er bei Warner Bros. und in den Händen der oscarnominierten Filmemacherin Greta Gerwig, ihres Partners Noah Baumbach und der Hauptdarstellerin und Produzentin Margot Robbie gelandet ist. Die Rückschläge haben sich jedoch gelohnt: Ich kann guten Gewissens sagen, dass man sich für diesen Film vermutlich keine bessere Kombination des Talents vor und hinter der Kamera vorstellen könnte.

Barbie Film Bild 2Nach ihren ersten beiden als "Bester Film" bei den Oscars nominierten Regiearbeiten Lady Bird und Little Women zementiert Barbie Gerwig als eine der besten neuen Regisseurinnen und Erzählerinnen starker Frauengeschichten Hollywoods. Barbie ist ihre bislang größte Herausforderung. Wie überwindet man die Skepsis und die Häme über die Ankündigung eines Barbie-Realfilms und wird zugleich den Erwartungen an den ersten Kinofilm über eins der berühmtesten Spielzeuge aller Zeiten gerecht? Gerwig zeigt wie. Das Drehbuch, das sie gemeinsam mit Baumbach verfasst hat, enthält zahlreiche Seitenhiebe auf Barbies und Kens zum Teil bizarre Geschichte (es gab einen Sugar Daddy Ken?!), reichlich Kritik an den absurden und zum Teil paradoxen gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und Konsumkritik, ist aber keine Moralpredigt. Außerdem macht sich der Film weder über Barbie selbst oder noch über die Leute, die mit ihr aufgewachsen sind, lustig. Gelegentlich trägt Gerwig etwas dick auf, doch ich bin sicher, dass diverse Szenen, insbesondere America Ferreras wütender Monolog im dritten Akt, vielen Zuschauerinnen aus der Seele spricht.

Barbie Film Bild 3Gerwigs Barbie-Welt mag pink sein, doch ihre Figuren haben viele Schattierungen. Barbie ist eine Emanzipationsgeschichte, doch nicht nur von Barbie selbst, sondern vor allem von Ken. Wie viele andere junge Männer, die nie lernten, mit ihren Emotionen umzugehen, kanalisiert er den Frust, die Wut, vor allem aber tief verborgene Verletzlichkeit über mangelnde Beachtung in stupides Machotum, bevor er endlich aus dem Schatten (und der Friendzone) seiner Dauerfreundin heraustreten und sich selbst finden kann. Ryan Gosling liefert in der Rolle eine der besten Performances seiner gesamten Karriere ab und wäre die Academy gegenüber Comedyrollen nicht voreingenommen, wäre er jetzt schon ein sicherer Kandidat für mindestens eine Oscarnominierung. Als Ken traut er sich, albern und lächerlich zu sein, bevor er eine komplexe Entwicklung durchmacht. Seine Powerballade "I’m just Ken" ist jetzt schon ein Klassiker und dürfte einer der eingängigsten Filmsongs des Jahres bleiben. Nach der Sichtung des Films bleiben jedenfalls keinerlei Zweifel übrig, weshalb ein für seine komplexen Indie-Rollen bekannter Schauspieler als Barbies nichtssagender Freund besetzt wurde.

Barbie Film Bild 4Während Gosling als Ken vermutlich die größte Überraschung des Films ist, lässt sich Margot Robbie von ihrem Leinwandpartner nie überschatten. Gab es an Goslings Besetzung als Ken noch einige Zweifel im Vorfeld, wirkte Robbie von Anfang an perfekt als ultimative Barbie aus Fleisch und Blut und der Eindruck täuschte nicht. Wie gut sie der Rolle der makellosen Blondine optisch entspricht, wird in einer Szene sogar selbst zum kleinen Meta-Gag, eingeworfen von Helen Mirrens Erzählerin aus dem Off. Doch natürlich wurde Robbie nicht (nur) wegen ihres Aussehens in der Rolle besetzt und ihre Barbie erlebt auch ein Wechselbad der Gefühle, bis sie lernt, was es heißt, eine echte Frau zu sein.

Barbie Film Bild 5Aus der riesigen Nebenbesetzung sind vor allem America Ferrera als überforderte Mutter und Mattel-Angestellte, Kate McKinnon als aufgeklärte komische Barbie, Michael Cera als Kens verzweifelter bester Freund Allan und natürlich Will Ferrell als profitorientierter Mattel-CEO, der aufrichtig an vermeintliche Gleichberechtigung in seinem offensichtlich männerdominierten Unternehmen glaubt, hervorzuheben. Hut ab an Mattel, dass sie diese (und etliche andere) Gags auf eigene Kosten durchgewunken haben.

Barbie hat viel zu sagen – sowohl die Figur in dem Film als auch der Film selbst – und die Leute sollten zuhören. Doch auch wenn sie nicht interessiert, was in dem Film unter der Oberfläche vor sich geht, werden sie ihren Spaß daran haben. Nicht jeder Gag sitzt, doch bei der hohen visuellen und verbalen Gagdichte bleibt der Film durchweg witzig.

Fazit

Die Werbung lügt nicht: Es ist ein Film für alle, die Barbie lieben, und für alle, die sie hassen. Mit zwei großartigen Hauptdarstellern und einem cleveren, satirischen, aber auch einfühlsamen Drehbuch unterwandert Greta Gerwigs Barbie erfolgreich die Erwartungen und ist der dritte Volltreffer in Folge für die Regisseurin.

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